Wind des Südens
Mannes, worauf der Rotschopf Chang achselzuckend auf den Stiefel spuckte und sich trollte.
Sobald die Männer verschwunden waren, kam die Dienerin mit einem Wassereimer und einem Lappen angelaufen, um Changs Stiefel zu putzen und sich bei dem verehrten Kunden für diesen schändlichen Zwischenfall zu entschuldigen. Er bedankte sich mit einem Nicken. Als er aufblickte, sah er Wu Tin heraneilen. Er brachte die Nachricht, es gebe hier kein geeignetes Restaurant, worauf Chang ihn anwies, in der Nähe ein Lager aufzuschlagen und sich wegen der Mahlzeiten mit dem Dienstmädchen abzusprechen.
»Aber, Herr, das hier ist eine Schnapsbude.«
»Das Mädchen ist doch sicher nicht allein hier, sondern mit seiner Familie. Sag ihr, sie soll mir warme Mahlzeiten liefern, und ich bezahle sie gut dafür.«
Nachdem das geklärt war, ließ Chang sich sein Pferd bringen und ritt los, um die Gegend zu erkunden. Zu seiner Überraschung waren die Straßen ordentlich angelegt und es wimmelte vor Menschen. Die Cowboys, hoch zu Ross, behandelten die Fußgänger ebenso herablassend wie vorhin der Rotschopf ihn. Gut gekleidete Herren mit sauberen breitkrempigen Hüten fuhren, begleitet von ihren Familien, in geschlossenen Kutschen winkend nach Westen – ins Nichts, wie Chang säuerlich dachte.
Chang bemerkte einen Wegweiser zum Barron River und einen anderen nach Barron Falls. Doch beides sagte ihm nicht viel, außer dass es sich um mögliche Hindernisse auf seinem Weg zur Küste handelte. Er beschloss, besser am nächsten Morgen zurückzukehren, um diesen Weg zu erkunden, damit er, wenn der Zeitpunkt gekommen war, ohne Verzögerung an die Küste zum Hafen reiten konnte.
Wenn der Zeitpunkt gekommen war! Chang erschrak. Obwohl die Gesellschaft ihm diesen Status nicht zugestand, hielt sich Chang für einen Gentleman und hatte sich unter großer Mühe dessen Sprechweise, Verhalten und Manieren angeeignet. Eigentlich fand er, dass er das Prädikat Gentleman mehr verdiente als viele Männer, die er kannte. Auch wenn er nicht in die richtige Familie hineingeboren war, wie er sich seufzend sagte. Das Privileg der hohen Geburt war und blieb für seinesgleichen eben unerreichbar. Dennoch – und das war Changs Ansicht nach sehr wichtig – berechtigte einen das noch lange nicht, herumzulaufen und unschuldige Menschen umzubringen. Wahre Helden und Gentlemen hatten die Pflicht, die Welt vom Abschaum zu befreien, wofür es eine Reihe von gesellschaftlich anerkannten Methoden gab. Ein Auftragsmord hingegen kam nicht in Frage, das war nur etwas für Kriminelle. Beim bloßen Gedanken daran hätte Chang laut losschreien können. War er in den Augen der Familie Li und von Herrn Xiu etwa nichts weiter als ein billiger Killer? Als Chang versuchte, diese beängstigende Vorstellung zu vertreiben, wurde sie sogleich von einem anderen Bild abgelöst: Es zeigte einen Mann, ob nun Gentleman oder nicht, der seinem Herrn und Meister nicht gehorchte und dadurch sein eigenes Schicksal besiegelte.
Chang versuchte, Ruhe zu bewahren, obwohl seine innere Stimme laute Klagetöne ausstieß. Am Ufer angelangt, stieg er vom Pferd. Hunderte von Menschen, junge und alte, wuschen in den Buchten geduldig Gold, und Chang kauerte sich auf den Boden, um sie zu beobachten. Diese Arbeit hatte ihn schon immer fasziniert, und bald ließ er sich von der allgemeinen Aufregung anstecken.
So gebannt starrte er auf die funkelnden Goldklümpchen in einem breitmaschigen Sieb, dass er den Mann gar nicht wahrnahm, der sich ihm näherte und sich einen Weg durch die Menschenmenge am Ufer bahnte. Er bemerkte Mr. Willoughby erst, als dieser ihm auf die Schulter klopfte.
»Wo kommen Sie denn her?«, fragte er, womit er Chang einen ordentlichen Schrecken einjagte.
»Sehen Sie«, erwiderte dieser, ohne sich etwas anmerken zu lassen. »Ich glaube, der Mann dort hat ein paar Goldklümpchen im Sieb. Man möchte fast selbst mit dem Goldwaschen anfangen. Haben Sie es schon mal versucht, Mr. Willoughby?«
»Einmal. Aber unter Tage hatte ich mehr Glück. Was haben Sie vor?« Er betrachtete Changs sauberes schwarzes Hemd und seine schwarze Hose. »Sieht nicht aus, als wären Sie unter die Goldgräber gegangen.«
»Nein, so tief bin ich noch nicht gesunken.« Er riss sich von dem faszinierenden Anblick des Goldes los und wandte
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