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Wind des Südens

Titel: Wind des Südens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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überrascht.«
            »Ja, das haben Sie. Doch es war eine angenehme Überraschung, glauben Sie mir. Möchten Sie mich ein paar Tage lang beobachten, Raymond, um sicherzugehen, dass meine Geschichte sich auch mit der Wahrheit deckt?«
            Raymond nickte. Es tat ihm weh, so offen sein zu müssen. »Da Sie hier, soweit ich es beurteilen kann, nicht misshandelt werden, ist es vermutlich das Beste, wenn wir uns Zeit lassen. Ich sehe keinen Grund, die Dinge zu überstürzen. Jedenfalls komme ich morgen um drei wieder. Kann ich Ihnen etwas mitbringen?«
            »Ich hätte gern etwas Obst. Obst gibt es hier nie. Und ein paar Bücher.«
            Als er aufstand, schüttelte sie ihm die Hand. »Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass mir nur zwei Menschen auf der Welt helfen können. Sie sind einer von ihnen. Was für ein glücklicher Zufall, der Sie zu mir geführt hat.«
            Raymond schmunzelte. »Das war kein glücklicher Zufall. Lavinia und ich haben uns Sorgen um Sie gemacht.«
            Ihre Augen füllten sich mit Tränen, und als er das Zimmer verließ, bereute er diese letzte Bemerkung. Offenbar befand Constance sich in einem aufgewühlten Zustand. Seufzend fragte er sich, warum er sich den Satz nicht verkniffen und sie in dem Glauben gelassen hatte, dass es wirklich nur Zufall gewesen war.
            »Aber nein«, murmelte er. »Du musstest dich mit deinen guten Werken brüsten. Dein Selbstbewusstsein aufpolieren. Der Held sein, der ihr zur Rettung eilt. Nur dass dieser Held außerdem neugierig auf sie und auch ein wenig böse auf ihren Ehemann ist.«
            Auf dem Heimweg erwähnte er seinen Ausrutscher gegenüber Lavinia, die das nicht überraschte.
            »Du gehst zu streng mit dir ins Gericht, Raymond. Seit du wieder zu Hause bist, erforschst du dein Gewissen wie ein Inquisitor. Und ich habe fast den Eindruck, dass das arme Mädchen genauso verfährt. Wie kann man lieber in einer Anstalt bleiben wollen! So etwas habe ich ja noch nie gehört. Ist ihr überhaupt klar, was das für ihren Ruf bedeutet? Du solltest zu Horwood gehen und von ihm verlangen, dass er seine Frau dort rausholt.«
            »Das kann ich nicht. Ich bin nicht einmal sicher, ob ich ihr ohne seine Zustimmung helfen kann.«
             
            »Das ist der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt!«, verkündete Gordon, als sein Partner ihm mitteilte, er müsse sich den Nachmittag freinehmen, um eine Mandantin im Krankenhaus aufzusuchen. »Ich verlange, dass wir einen Termin vereinbaren, Raymond, damit wir unsere Angelegenheit ein für alle Mal klären können. Nennen Sie mir eine Uhrzeit, und seien Sie pünktlich!«
            »Ja, meinetwegen. Es tut mir Leid, dass ich Ihnen Umstände mache, Gordon. Aber in letzter Zeit bin ich mit dem Herzen nicht in der Kanzlei. Ich möchte reisen und mehr von der Welt sehen, und ich werde es nicht länger hinauszögern. Was halten Sie von morgen Früh – um neun? Haben Sie Zeit?«
            »Ja, um neun. Bis dahin habe ich die Bücher fertig. Ich werde allein in diesen Räumen weitermachen; wir müssten nur noch die ausstehende Miete untereinander aufteilen.«
            »Es ist nicht schlimm, wenn ich ein paar Monate zu viel Miete gezahlt habe. Behalten Sie das Geld. Da ich Ihnen eine so kurze Frist gesetzt habe, verzichte ich auf eine Erstattung.«
            Gordon schüttelte den Kopf. »Besten Dank auch, Raymond – aber Sie haben Schulden bei mir.«
             
            Als die Kanzlei LEWIS & McLEISH um zwölf Uhr schloss, eilte Raymond zum Mittagessen nach Hause und machte sich anschließend auf den Weg nach St. Clement’s. Er hatte für zwei Uhr einen Termin mit Oberschwester Bassani im Beisein eines Arztes vereinbart, um sich offiziell vorzustellen und den Rat des Mediziners einzuholen.
            Die Oberschwester servierte wieder Tee; diesmal standen dünne Kanapees und ein Orangenkuchen auf dem Tisch, doch von einem Arzt war nichts zu sehen.
            Auf seine Fragen antwortete sie, Lady Horwood litte an wiederkehrenden Anfällen von Wahnsinn infolge von Hysterie.
            »… ein Zustand, der bei Damen der besseren Gesellschaft nicht selten vorkommt. Sie sind wie Gewächshausblumen, Mr. Lewis, und absolut außerstande, auch nur die kleinsten Enttäuschungen zu verkraften. Ich habe einmal von einer Frau gehört, die beim

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