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Wind des Südens

Titel: Wind des Südens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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normalen Jungen Ordnung beizubringen, ganz zu schweigen von Geisteskranken. Mit dem Bettenmachen haben sie Schwierigkeiten, ja, sie verabscheuen diese Arbeit richtiggehend. Aber welcher Herr muss schon selbst sein Bett machen? Sie tun das sicher auch nicht, Mr. Lewis.«
            »Nein«, räumte er ein.
            Sie kamen in den Frauenschlafsaal, wo es noch schlimmer aussah. Ein übler Geruch schlug ihnen entgegen, als die Tür aufging und dahinter weiteres Tohuwabohu und herumliegendes Bettzeug zu sehen waren.
            »Wie Sie sehen«, verkündete die Oberschwester, ohne mit der Wimper zu zucken, »sind die Patientinnen angemessen untergebracht. Sie haben ein Dach über dem Kopf und erhalten drei Mahlzeiten täglich, was besser ist, als auf der Straße zu leben. Aber kommen Sie, wir haben auch Einzelzimmer, die ich Ihnen zeigen kann. Ein Stück weiter hinter dem Drahtzaun stehen zwei Gebäude ein wenig abseits. Dort bringen wir die gefährlichen Patienten, also die tobsüchtigen Kranken, unter. Dort ist der Zutritt verboten.«
            Lavinia lief es kalt den Rücken hinunter, als zwei Wärter auf sie zukamen. Sie zerrten einen älteren Mann zwischen sich her, der beim Anblick der Besucher anfing, Verwünschungen zu brüllen.
            »Kümmern Sie sich nicht um ihn«, meinte die Oberschwester lächelnd. »Das ist Mr. Hannerly. Es ist Zeit für sein wöchentliches Bad, und das mag er gar nicht. Er glaubt, wir wollten ihn ertränken.«
            »Warum waschen Sie ihn dann nicht mit dem Schwamm?«, erkundigte sich Lavinia.
            »Wir sind hier schließlich kein Kurbad«, gab die Oberschwester zurück. »Aber wir tun unser Bestes. Ich persönlich halte ein Wannenbad für wohltuend und beruhigend. In vielen Krankenhäusern haben die Patienten Glück, wenn sie ab und zu mal mit einem feuchten Schwamm abgetupft werden. Natürlich gibt es bei uns immer noch Patienten, die sich an die alten Sitten klammern und das Baden für ungesund halten. In diesem wunderbar warmen Klima gibt es dafür jedoch keine Entschuldigung, nicht wahr, Mr. Lewis?«
            »Äh? Wie bitte?« Raymond hatte eine Gruppe von Frauen beobachtet, die sich auf einer Veranda versammelt hatten. Sie waren damit beschäftigt, Äpfel zu verspeisen, die eine Krankenschwester schälte, in Stücke schnitt und ihnen reichte. Constance war nicht unter ihnen.
            »Stammen Sie aus Brisbane?«, fragte Raymond.
            »Nein, ich komme aus Tasmanien im Süden. Ich fürchte, Mr. Lewis, wir sind dort in der Behandlung von Geisteskranken viel weiter als hier.«
            »Dann haben wir ja Glück, dass Sie beschlossen haben, zu uns zu ziehen.« Als Raymond sich verbeugte, kicherte die Oberschwester erfreut.
            Die Einzelzimmer befanden sich in einer weiteren lang gestreckten Baracke und führten alle auf eine Veranda hinaus. Wie bei sämtlichen anderen Gebäuden waren auch hier die Fenster vergittert. Lavinia und Raymond sparten sich eine Bemerkung darüber und warfen nur verstohlene Blicke auf diese Fenster. Dabei gingen sie neben der Oberschwester her und lauschten ihrem Vortrag über neue Behandlungsmethoden für die Frauen in diesem Gebäude.
            »Was tun sie?«, entsetzte sich Lavinia.
            »Es ist sehr wirksam, Mrs. Lewis. Da sie geistig aus dem Gleichgewicht geraten sind, werden sie eine halbe Stunde pro Tag kopfüber aufgehängt. Sie …«
            »Verzeihung«, unterbrach Raymond. »Hoffentlich halten Sie mich nicht für unverschämt, Oberschwester, aber ich glaube, ich habe in diesem Zimmer Lady Horwood gesehen.«
            »Wen?«, rief Lavinia in gespieltem Erstaunen aus. »Lady Horwood?«
            »Richtig.« Die Oberschwester strahlte, offenbar nicht bemüht, die Identität ihrer prominenten Patientin zu verschweigen. »Wie ich schon sagte: Wir haben viele Damen und Herren der besseren Gesellschaft in unserer Obhut.«
            »Ob ich wohl ein Wort mit ihr sprechen und ihr einen guten Tag wünschen dürfte?«, fragte Raymond, doch die Oberschwester verzog unwillig das Gesicht.
            »Ich weiß nicht so recht. Ich glaube nicht …«
            Lavinia beugte sich vor und flüsterte ihr zu: »Mein Bruder war ebenfalls Passagier auf der China Belle , als diese schreckliche Meuterei stattfand. Er hat die schwere Zeit gemeinsam mit Constance und Lyle Horwood überstanden und ist

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