Wind des Südens
daran liegt.«
»Sie ist eine willensstarke Frau und in einem Labyrinth gefangen. Dort irrt sie umher und versucht, den Ausgang zu finden. Ich denke, ich kann ihr helfen, wenn man mich über sämtliche Hintergründe aufklärt. Es erschüttert mich ziemlich, dass Sir Lyle von mir eine Behandlung seiner Frau erwartet und mir gleichzeitig wichtige Informationen vorenthält.«
»Vielleicht ist er ja derjenige, der hierher gehört.«
»Eine Schande«, erboste sich Lavinia, als Raymond ihr von Constances Bitte erzählte.
»Was ist eine Schande? Dass Tussup ein gesuchter Verbrecher ist?«
»Nein. Dass die Leute, einschließlich des elenden Wichts, der sich ihr Ehemann schimpft, eine unschuldige Frau so demütigen, dass sie sich erst wieder aus dem Haus wagt, wenn jemand für ihren guten Ruf bürgt. Soll dieser Horwood doch seine Bibliothek selbst sortieren.«
»Tja, nun liegt alles bei Dr. Shakell. Es ist unmöglich, dass sie mit Tussup spricht.«
»Warum?«
»Weil der Mann auf der Flucht vor dem Gesetz ist. Zuletzt wurde er auf den Goldfeldern gesehen, und er geht der Polizei ziemlich geschickt aus dem Weg.«
»Dann such du ihn doch.«
»Was?«
Lavinia seufzte auf. »Raymond, irgendwann werden sie ihn fassen. So ist es immer. Wollen wir nur hoffen, dass sie ihn nicht gleich erschießen. Er ist ihre einzige Chance, auch wenn es nur ein Wunschtraum ist, denn wer wird ihr zuhören oder sich für die langweilige Wahrheit interessieren? Wenn sie Tussup schnappen, braucht er einen Anwalt, und dann bist du sofort zur Stelle.«
»Constance ist hier offenbar nicht die Einzige, die träumt …«, knurrte er.
»Was hat der Mann eigentlich groß getan? Er ist lediglich vom Schiff desertiert. Die Frauen hat er nicht entführt. Außerdem hat er Constance vor den Schuften gerettet und wohlbehalten nach Cooktown gebracht.«
»Wohlbehalten? Du hättest sie sehen sollen. Sie war kaum noch bei Verstand.«
»Was hätte er sonst tun sollen? Sie höchstpersönlich bei der Polizei abliefern?«
»Bitte lass das! Du weißt nicht, wovon du redest.«
In jener Nacht jedoch überlegte er, ob er nach Cairns zurückkehren sollte, wenn auch nur, um zu sehen, wie seine Freunde den Wirbelsturm überstanden hatten. Wie ging es wohl Mrs. Plummer? Eine beeindruckende Frau. Und natürlich war da noch die arme junge Witwe Mrs. Caporn. Und Mal Willoughby, der immer für eine Überraschung gut war.
Ein beängstigender Gedanke beschlich ihn. Hoffentlich war Mal inzwischen zur Vernunft gekommen und dachte nicht mehr an Rache. Schließlich bestand immer die Gefahr, dass er Tussup erschoss und im Gefängnis landete. Und dann würde er es sein, der einen Anwalt brauchte.
18. Kapitel
Die Goldgräber, die zum Oberlauf des Hodgkinson wollten oder von dort kamen, machten auch weiterhin im großen Basislager am malerischen Barron River Station. Sie lieferten Jesse Field genug Stoff, um seinen Chefredakteur zufrieden zu stellen, wodurch ihm der Aufenthalt an diesem reizenden Fleckchen Erde zu einem regelrechten Vergnügen wurde. Jesse lernte Männer kennen, die sich als glückliche Gewinner auf den Rückweg nach Cairns machten. Andere wiederum waren gescheitert, gesundheitlich zerrüttet und zermürbt von der Hitze und den unwirtlichen Bedingungen. Der Journalist beobachtete, wie von Pferdegespannen oder Ochsen gezogene Wagen, beladen mit den seltsamsten Gütern, ins Landesinnere aufbrachen. Andere Gefährte steuerten, Wolle und Leder an Bord, die Häfen an. Täglich wurden Tote und Sterbende gebracht, und Jesse schrieb Berichte über Gewalt, Krankheiten, Unfälle und Verzweiflung. Er befragte die Erfolgreichen, die – im siebten Himmel schwebend, wie er es nannte – ihren neuen Reichtum mit zahlreichen Freunden und Bekannten feierten. Andere hielten ihr Glück lieber geheim und machten sich schleunigst aus dem Staub, ohne sich auch nur von einem Klümpchen ihres hart erarbeiteten Goldes zu trennen.
An diesem Tag war ein Trupp wichtiger Herren, angeführt von Sir Arthur Kennedy, dem Gouverneur von Queensland, nebst einem offiziellen Fotografen im Lager eingetroffen; von dort aus sollte es auf eine Erkundungsreise zu dem
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