Wind des Südens
anständig benimmt«, erwiderte sie gelassen. »Er ist ein grässlicher Kleingeist und ein abscheulicher Snob.«
»Aber mussten Sie ihm gleich eine Szene machen?«
»Wir können nicht tatenlos herumsitzen, bis sich unsere Probleme von selbst erledigen, Raymond. Doch nun kommen Sie, die Kunst ruft …«
Später an diesem Abend erläuterte sie Esme ihren Plan. »Morgen statten wir Lyle einen Besuch ab. Wir eröffnen ihm, wir wüssten, dass Constance in einer Anstalt ist, und verlangen seine Erlaubnis, sie zu sehen. Wenn er sich weigert, setzen wir ihn unter Druck. Sind Sie dabei?«
»Gute Idee! Doch womit wollen Sie ihm denn drohen?«
»Da gibt es eine ganze Menge. Zum Beispiel, dass wir überall herumerzählen könnten, er habe seine Frau zwangseinweisen lassen, was hoffentlich der richtige Ausdruck dafür ist. Wir könnten auch eine Annonce in die Zeitung setzen und um Hinweise auf ihren Aufenthaltsort bitten. Dann wird ihm sicher richtig mulmig werden. Ich glaube, mit unserem kleinen Auftritt im Theater habe ich ihn schon ordentlich weich geklopft, denn schließlich haben viele Leute zugehört. Morgen Nachmittag ist er Stadtgespräch.«
»Meinen Sie, es klappt?«
»O ja. Früher oder später.«
Nach einem ärgerlichen Disput an der Eingangstür erteilte Lyle ihnen die Erlaubnis, seine Frau zu besuchen – und zwar schriftlich, weil Eleanor darauf bestand.
»Ich glaube, die Anstalt liegt ziemlich weit draußen vor der Stadt«, sagte sie. »Wir möchten ungern eigens hinfahren und abgewiesen werden.«
»Das alles ist nur Raymonds Schuld«, schimpfte er. »Ich habe ihm vertraulich mitgeteilt, wo sie ist. In letzter Zeit macht er nichts als Schwierigkeiten. Die arme Constance, es wird ihr den Rest geben, wenn man sie vor Gericht zerrt und sie zwingt, zu ihrem Aufenthalt bei diesen Verbrechern eine Aussage zu machen. Sie haben sie in den Wahnsinn getrieben. Das werden Sie ja selbst sehen. Dann lassen Sie die arme Frau sicher in Ruhe.«
»Ebenso wie Sie«, zischte Eleanor, aber Esme war sich da nicht so sicher.
Als sie, das Empfehlungsschreiben an die Oberschwester in der Tasche, mit der Kutsche zurück in die Stadt fuhren, verlieh sie ihrer Besorgnis Ausdruck.
»Sagte Raymond nicht auch, dass Constance dort bleiben will? Dass sie verzweifelt ist, weil sie glaubt, die Leute würden mit dem Finger auf sie zeigen? In diesem Fall könnte Lyle Recht haben. Die Demütigung einer Gerichtsverhandlung würde sie nicht überstehen, selbst wenn Tussup auf diese Weise seine gerechte Strafe bekäme.«
Eleanor seufzte. »Ich weiß nicht, meine Liebe. Es ist noch zu früh, um sich den Kopf darüber zu zerbrechen.«
»Also, Mr. Willoughby, nehmen Sie Platz. Was kann ich für Sie tun?«
Den Hut in der Hand, setzte sich Mal gehorsam auf den Stuhl vor Lanfields Schreibtisch. »Ich wollte mich für Ihre freundlichen Worte bedanken, Sir …«
»Ich bezweifle, dass Worte die Trauer und Verzweiflung, die ein junger Mann wie Sie gewiss empfunden hat, auch nur annähernd lindern können. Also verzeihen Sie mir, Mr. Willoughby, wenn ich gleich zur Sache komme. Worum geht es?«
Mal betrachtete das flaumige graue Haar und die aufgeplusterten Koteletten, die so gar nicht zu den kalten grünen Augen und den schmalen Lippen des Mannes passen wollten. »Es geht um Tussup, Sir. Er war …«
»Erster Offizier auf der China Belle . Ja, ich habe all die Zeitungsberichte gelesen. Aufmerksam, wie ich gestehen muss. Vielleicht aus persönlichem Interesse am Schicksal eines früheren Mandanten. Aber Sie stecken doch hoffentlich nicht wieder in Schwierigkeiten?«
»Nein, Sir. Ich bin wegen Tussup hier. Bis jetzt ist er ungeschoren davongekommen, und das halte ich für falsch. Der Polizeichef wollte ihn, wie es hieß, unter Anklage stellen. Doch dann hat ihm jemand einen Ritterschlag in Aussicht gestellt …«
»Genug davon, Willoughby, das ist nicht unsere Sache. Bleiben Sie beim Thema.«
»Das Thema ist, dass Tussup sich weiterhin auf freiem Fuß befindet«, gab Mal zurück.
»Und was soll ich in dieser Sache unternehmen?«
»Ich weiß nicht.
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