Wind des Südens
er gleich beim Wiedersehen im Hotel Treasury ausgesprochen hatte.
»Meine Schwester würde Sie gern zum Essen bei uns begrüßen, meine Damen. Sie freut sich darauf, Sie kennen zu lernen.«
»Aber, ja«, erwiderte Eleanor. »Vielen Dank. Die Freude ist ganz auf unserer Seite.«
Inzwischen fühlte Raymond sich ein wenig wohler. Obwohl er es nicht laut aussprach, gab er Mal die Schuld, weil dieser die Damen ermuntert hatte, seine Entscheidung in Frage zu stellen. Offenbar begriffen sie alle nicht, dass er sich richtig verhalten hatte. Er war fair mit Tussup umgegangen, und schließlich konnte er nichts dafür, dass ihm der elende Kerl davongelaufen war. Eleanors scharfe Worte hatten ihn sehr gekränkt, denn sie war so eine wunderbare und elegante Dame. Er hatte von Anfang an für sie geschwärmt, und eigentlich lag es nur an ihr, dass er Cairns einen Besuch hatte abstatten wollen. Raymond hatte gehofft, sie in Cairns häufiger zu sehen, da es dort ruhiger war als in Brisbane und keine weiteren Verpflichtungen seine Anwesenheit verlangten. Dann hätte sich irgendwann gewiss der richtige Zeitpunkt ergeben, um ein ernstes Gespräch über eine gemeinsame Zukunft zu führen.
Doch es war ja noch nicht aller Tage Abend, sagte er sich, als er die Damen in den Speisesaal begleitete. Schließlich hatte Eleanor die Einladung ins Theater als Erste angenommen. Vielleicht hatte sie die kleine Auseinandersetzung ja schon vergessen.
Anstatt sich zum Abendessen zu ihnen zu gesellen, ging Mal die George Street hinunter zum Parlament, wo der Sonnenuntergang den Sandstein in einen orange- und rosafarbenen Schein tauchte. Alteingesessene hatten ihm erzählt, das Gebiet habe noch vor nicht allzu langer Zeit aus dichtem Regenwald bestanden. Dahinter hätte sich bis zu den Hügeln eine mit Gras bewachsene Ebene erstreckt, in der die Aborigines lebten wie im Paradies.
Tief in Gedanken versunken, schlenderte Mal an den botanischen Gärten entlang und überquerte die kleine Halbinsel, bis er wieder am Fluss stand. Als er das Straßenschild mit der Aufschrift EDWARD STREET betrachtete, fragte er sich, woran es ihn erinnerte.
Nachdem er in diese Straße eingebogen war, hörte er Gesang aus der St.-Stephens-Kathedrale, und er verlangsamte seinen Schritt, um den hohen Stimmen eines Knabenchors zu lauschen. Fast wäre er hineingegangen, um diese seltene Freude zu genießen, als ihm ein Name durch den Kopf schoss. Ein Name! Ein Wort: Lanfield!
Mal schlug sich mit der Hand vor die Stirn. Ließ sein Gedächtnis allmählich nach? Was war nur los mit ihm? Warum brütete er über Raymonds klägliche Bemühungen nach, obwohl Lanfield seine Kanzlei gleich hier in dieser Straße hatte? In der Edward Street. Worauf wartete er also noch?
Mal begann zu rennen. Es war schon spät, die Läden schlossen bereits, und Büroangestellte strömten hinaus auf die Straße. Ein Pferdegespann mit einem leeren Wagen polterte vorbei, und ein Droschkenkutscher brüllte Mal etwas nach, als dieser über die Straße zu den Victoria Chambers lief, einem weiteren beeindruckenden Sandsteingebäude, das auf ihn früher ebenso einschüchternd gewirkt hatte wie sein Anwalt Mr. Lanfield.
Lanfield, dachte er schmunzelnd, als er die schwere Glastür öffnete. Leicht reizbar. Mürrisch. Arrogant. Aber ein Genie. Die Bezeichnung klug wurde Lanfield nicht gerecht, überlegte er, während er Platz machte, um einen Mann mit Zylinder vorbeizulassen, der gerade die Treppe herunterkam. Das würde er vermutlich als Beleidigung verstehen. Er war eben ein Spitzenanwalt. »Wer sonst hätte es geschafft, mich freizukriegen?«, fragte sich Mal. »Schließlich hat der Leiter der Goldbehörde selbst versucht, mir das Verbrechen anzuhängen.«
»Mr. Willoughby! Was machen Sie denn hier?«, wandte sich da eine strenge Stimme an ihn. Als Mal aufblickte, sah er Lanfield mit seinen Kollegen auf sich zukommen.
Er schluckte. Schon wieder ließ er sich einschüchtern. »Ich muss mit Ihnen reden, Sir.«
»Meine Kanzlei schließt pünktlich um halb sieben.«
Ja, das passt, dachte Mal. Pünktlich. Aber dann blieb Lanfield neben ihm stehen. »Ich habe über Sie in der Zeitung gelesen, Mr. Willoughby«, sagte er mit seiner hohen Stimme. »Und ich war bestürzt, zu erfahren,
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