Wind Die Chroniken von Hara 1
fragte ich sie, da ich den Beutel nirgendwo sah.
»Das bewahrt Yola für uns auf.«
»Oh, oh«, erwiderte ich mit einem Grinsen. »Wenn die alte Krähe bloß nicht mit unseren Soren durchbrennt.«
»Komm schon«, antwortete Lahen genauso grinsend. »Gegen ein paar Soren extra hat Yola zwar nie was einzuwenden – aber am Ende kannst du dich auf sie verlassen.«
»Genau wie auf die Karten.«
»Genau wie auf die Karten«, wiederholte Lahen. »Was haben sie dir gesagt?«
»Nichts. Unsere Schlaubergerin stand vor einem Rätsel. Sie hat behauptet, ihr sei beim Austeilen ein Fehler unterlaufen.«
»Sie will einen Fehler gemacht haben?«, fragte Lahen fassungslos. »Reden wir hier von ein und derselben Yola?«
»Du malst dir nicht aus, wie sich Khtatakh über ihr Geständnis gewundert hat. Ich glaube, er hat vor Glück sogar gequakt.«
»Das hätte ich zu gern mit angesehen«, sagte sie lachend.
»Ich hätte auch nichts gegen eine Wiederholung des Schauspiels. Yola hätte sich in ihrer Wut fast alle Federn aus den Flügeln gerissen. Gut, gehen wir. Wir müssen uns noch von ihnen verabschieden. Ich hoffe, es ist noch immer erlaubt, in der Stadt Waffen zu tragen?«
»Ja. Da handeln wir uns, Meloth sei gepriesen, keine Schwierigkeiten ein.«
Wir gingen nach unten. Im Laden brannten unverändert nur zwei Lampen. Yola achtete nicht auf uns und murmelte etwas vor sich hin, während sie zum hundertsten Mal an diesem Tag ihre Karten auslegte. Der Blasge war derweil mit etwas wichtigeren Dingen beschäftigt: Er zog eine gewaltige Machete aus einem Toten. Eine weitere Leiche lag unter dem Tisch, an dem Yola saß. Soweit ich es im Schummerlicht erkennen konnte, klaffte in ihrem Körper eine Wunde, die vom Schlüsselbein bis zur Mitte des Brustkorbs reichte und offenbar mit einem einzigen Streich ausgeführt worden war. Die Blutlache bildete bereits einen kleinen See.
»Habt ihr Besuch bekommen?«, fragte ich.
Yola stieß ein paar quiekende Schreie aus, um ihre Verachtung für die Mütter jener Schurken zum Ausdruck zu bringen, die da ihren Laden überfallen hatten.
»Waren die euretwegen oder unseretwegen hier?«, wollte Lahen wissen, während sie beobachtete, wie der Blasge die Klinge an der Kleidung des Toten abwischte.
»Kweine Sorgwe, Lahen, ihr habt nichts damit zu tun«, versicherte Khtatakh grinsend. »Diese Fischkwinder wollten unserer alten Kwarähe die Federchen ausrupfen. Und sich unser Hab und Gwut aneigwanen.«
»Diese verfluchten Schweinekerle!«, schimpfte Yola, ohne den Blick von den Karten zu lösen. »Möge der Himmel über ihren stinkigen Familien zusammenstürzen! Mögen ihren Kindern die Augen verschrumpeln! Mögen sich die Würmer an ihren mistigen Eingeweiden laben!«
»Eine äußerst lobenswerte Einstellungwa«, beteuerte Khtatakh. »Hast du ihnen all das ins Gwesicht gwesagwat, als sie sich noch ihres Lebens erfreuten?«
»Hätte ich ja gern, du Blutegel!«, blaffte Yola und schob endlich die Karten zur Seite. »Aber du hast mir ja keine Gelegenheit dazu gelassen. Noch ehe ich überhaupt den Mund aufgekriegt habe, hast du sie schon erschlagen wie Mücken in den Sümpfen.«
Khtatakh lachte dumpf.
»Keine schlechte Arbeit«, bemerkte ich. »Du hast dich wirklich nicht verändert, mein guter alter Blutegel.«
»Das Lob eines Meisters ehrt mich«, erwiderte er grinsend.
Ich konnte mir ganz gut vorstellen, was hier vorgefallen war. Die beiden Ganoven stammten offensichtlich nicht aus der Gegend und gehörten mit Sicherheit nicht jener geschätzten Gilde an, die das Gesetz verfolgte. Sonst hätten sie sich nämlich weniger widerständige Opfer gesucht. Nein, die beiden wollten ohne Frage einen Ye-arre töten. Möglicherweise waren sie dem blendenden Licht ja mit dem gleichen Trick entkommen wie ich, hatten Yola gesehen und wollten sich auf sie stürzen. Nur hatten sie da die Rechnung ohne den Blasgen gemacht, der im Halbdunkel lauerte – und den sie bestimmt nicht bemerkt hatten. Ob die beiden Dreckskerle überhaupt begriffen hatten, wer sie da ausschaltete?
Lahen, die sich alle Mühe gab, nicht in das Blut auf dem Boden zu treten, ging zur Tür und legte den Riegel vor.
»Recht so, Mädchen«, sagte Yola. »Sonst drängeln sich hier womöglich bald noch mehr Besucher. Wie sollte ich da den Boden je wieder sauber kriegen?«
»Wann wischst du schon mal den Boden, mein Kwükwen?«, empörte sich Khtatakh. »Das ist doch meine Aufgwabe.«
»Jetzt reicht’s aber, du Blutegel.«
»Was macht
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