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Wind Die Chroniken von Hara 1

Wind Die Chroniken von Hara 1

Titel: Wind Die Chroniken von Hara 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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würden ihm da Flügel wachsen.
    Wieder und wieder lief Ga-nor von einem Ende des Vorsprungs zum anderen, fluchte und flehte, fand aber keinen Weg aus dieser Falle.
    Als nur noch eine Stunde bis zum Sonnenuntergang blieb, setzte er sich verzagt hin, lehnte sich gegen die Felswand zurück, klaubte ein paar kleinere Steine auf und warf sie in die Tiefe. Wie viele Tage ihm Ug wohl noch zumaß? Einige gewiss. Und so würde er, ehe er irgendwann verhungerte, noch entsetzliche Qualen auszustehen haben. Wie verlockend!
    Erneut fluchte er. Lauthals. Doch wie nicht anders zu erwarten, antwortete ihm niemand. Dann aber … Dann aber rieselten ihm Staub und kleine Steine auf den Kopf und in den Kragen. Er sprang auf und spähte mit zusammengekniffenen Augen nach oben. Nach einer Weile rieselten erneut kleine Steine herab. Alles sprach dafür, dass dort jemand entlanglief. In seiner Lage war dem Irbissohn völlig einerlei, wer es war, ob Freund oder Feind. Vierzig Jahre ist nicht das Alter, um wie ein Schneehörnchen im Fangeisen zu verrecken. Da starb er schon lieber durch die Waffe eines Feindes und trat unverzüglich vor Ug.
    »He!«, rief er aus voller Kehle. »He! Ich bin hier! Hier unten!«
    Zunächst geschah gar nichts. Dann schob sich jedoch ein Kopf über den Felsrand und beäugte ihn. Ga-nor wollte schon abermals rufen – als er den Mann erkannte. Der Schrei blieb ihm in der Kehle stecken. Es gab keinen Zweifel. Weder Schmutz noch Blut konnten ihn täuschen. Der kräftige Kiefer, das struppige rote Haar und die Narbe auf der Stirn – das war Da-tur. Allerdings mit gebleckter Oberlippe und grün lodernden Augen …
    Die Kreatur, die früher sein Bruder gewesen war, stierte ihn unverwandt an. Ohne den Untoten aus den Augen zu lassen, langte Ga-nor nach seinem Dolch. Das kam einem Signal gleich. Die durch die Magie des Sdisser Nekromanten wiedererweckte Leiche stürzte sich in die Tiefe und fiel, ganz wie eine Spinne, mit gespreizten Armen und Beinen auf die Stelle, an der Ga-nor bis eben gestanden hatte.
    Das Geräusch des Körpers, der auf den Stein aufschlug, ließ selbst den Irbissohn, der an Tod und Blut gewöhnt war, schaudern. Er meinte, bis in die Goldene Mark hinein müsste zu hören sein, wie die Knochen splitterten. Doch trotz der gebrochenen Rippen, die durch Fleisch und Kleidung hervorstachen, und trotz der zerschmetterten Arme sowie des verdrehten rechten Beins versuchte der Untote aufzustehen.
    Ga-nor zögerte keine Sekunde. Er hob seinen Dolch, packte den blutigen roten Haarschopf und zog den Kopf zurück, um diese Kreatur mit einer einzigen Bewegung zu enthaupten. Die Klinge ratschte mit einem widerwärtigen Geräusch über die Halswirbel. Aber immerhin erlosch das grüne Licht in den Augen Da-turs.
    Schwer atmend nahm Ga-nor dem zweifach getöteten Mann den breiten Dolch ab, ehe er die Leiche in den Abgrund trat. Nie im Leben würde er das Risiko eingehen, dieses Etwas in seiner Nähe zu lassen. Mitleid empfand er dabei keins. Da-tur war längst tot, seine Seele wandelte bereits in den Hallen Ugs. Das, was er eben in die Tiefe gestoßen hatte, war nur eine Hülle – über die ein Sdisser Nekromant gebot.
    Die Sonne versank mittlerweile bereits hinter den Bergen. Lange Schatten legten sich über das Tal. In aller Eile machte sich Ga-nor an den Aufstieg.
    Was noch einfacher ging als angenommen. Er ertastete die Felsspalten, rammte eine Klinge hinein, hielt sich mit einer Hand daran fest, versenkte die zweite Klinge in einer Spalte etwas weiter oben und hielt sich dann an dieser fest. Höhenangst kannte der Irbissohn nicht, und langsam, aber sicher näherte er sich dem rettenden Rand. Als ihn keine zwei Yard mehr von diesem trennten, hielt er inne und gönnte sich eine kurze Verschnaufpause. Der obere Abschnitt des Felsens verlangte ihm doch etwas mehr ab. Hier gab es weniger Ritzen, außerdem hatte der Wind aufgefrischt und drohte, Ga-nor in den Abgrund zu fegen.
    Als er den Rand schließlich erreichte, war die Nacht vollends hereingebrochen. Angesichts von Da-turs Schicksal schob er zunächst nur vorsichtig den Kopf über den Rand der Schlucht. Sobald sich seine Augen an die Schwärze gewöhnt hatten, spähte er die Umgebung sorgsam aus. Nichts. Erleichtert atmete er durch, stemmte sich über den Rand und sprang auf die Beine, mit einem Dolch in jeder Hand.
    Es blieb jedoch alles einsam und still. Den Körper Ta-anas entdeckte er nicht. Sofort bemächtigte sich seiner neue Unruhe. Aufmerksam lugte er

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