Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wind Die Chroniken von Hara 1

Wind Die Chroniken von Hara 1

Titel: Wind Die Chroniken von Hara 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
Vom Netzwerk:
Geister. Sämtliche Bergstämme schlugen einen weiten Bogen um sie und errichteten ihr Nachtlager erst, wenn zwischen ihnen und den weißen Mauern ein Abstand von mindestens einer League lag.
    Die Irbiskinder indes durften sich keinen Aberglauben leisten. Mieden sie Gerka, müssten sie einen Weg in Kauf nehmen, der fünf Mal so lang war. Wagten sie sich jedoch in die Stadt der Geister, erreichten sie an ihrem südlichen Rand einen Pfad, der zum Pass führte. Und von dort aus wäre es bis zur Burg der Sechs Türme nur noch ein Katzensprung.
    So durchschritten sie den hohen Torbogen des einstigen Haupttors und gelangten auf eine breite Straße. Wo auch immer sie hinblickten, allenthalben ragten zerstörte Häuser und Marmorsäulen auf, die bis in den Himmel zu reichen schienen. Das Mondlicht tanzte auf ihnen, hauchte dem Gestein Leben ein, ließ es blendend schön anmuten, ganz wie in jenen Jahren, als an diesem Ort noch das Leben brodelte. Die leeren Straßen schimmerten silbrig-blau, die alten Gebäude warfen ihre Schatten, und ein mit bloßem Auge kaum wahrnehmbarer bläulicher Nebel zog auf.
    Gerka betrachtete die Eindringlinge teilnahmslos aus den dunklen Löchern der Häuser. Besucher scherten sie nicht. Sie sang einzig mit dem Wind, diesem treuen Freund, ihr Lied. Die Menschen jedoch hatten sie verlassen und verraten. Die Stadt beabsichtigte nicht, diesen Verrat zu rächen, begehrte aber, in Ruhe gelassen zu werden. Deshalb erlaubte sie den drei Kundschaftern aus dem fernen Norden, durch ihre Straßen zu ziehen, und fügte ihnen keinen Schaden zu.
    Genauso wie sie demjenigen Einlass gewährte, der diesen dreien folgte.
    Der Pfad verlief eine Schlucht entlang. Linker Hand ragte ein Basaltfelsen auf, rechts klaffte der Abgrund. Seit über einer Stunde eilten die Irbiskinder nun schon bergauf. Mittlerweile lag das Tal mit der Stadt der Tausend Säulen tief unter ihnen. Ständig spähte Da-tur zu den blasser werdenden Sternen hinauf. Bald würde es tagen. Dann sollten sie den Pass erreicht, besser noch, ihn bereits überquert haben.
    Hier oben ging ein scharfer eisiger Wind, der Pfad versank mehr und mehr unter Schnee. Noch einmal sammelten sie alle Kräfte, denn bis zum Pass war es nun nicht mehr weit. Ga-nor blieb ein ums andere Mal stehen, um zurückzublicken. Noch immer wollte er nicht glauben, dass es ihnen geglückt war, den Nekromanten zu täuschen.
    Da tauchte unversehens vor ihnen ein Mann auf dem Pfad auf. Gegen den frühmorgendlichen Himmel hob sich die große, hohe, massive und breitschultrige Silhouette ab. Er musste über den Pass gekommen sein. Jetzt hielt er gemächlich, fast als gehe er spazieren, auf sie zu.
    Ta-ana trat vor und legte einen Pfeil ein. »Da sollen mich doch die Schneegowen holen!« Sie kaute nervös auf den rissigen Lippen. »Wer ist das?
    »Ich weiß auch nicht«, presste Da-tur heraus. »Aber im Zweifelsfall ist es ein Diener dieses Nekromanten. Schieß ihm ins Bein!«
    Ein raubtierhaftes Grinsen legte sich auf Ta-anas Gesicht: Diese Beute war ihr sicher.
    »Nein!«, schrie da Ga-nor, denn mit seinem sicheren Blick hatte er bemerkt, dass den Körper des Mannes ein Schuppenpanzer bedeckte. »Das ist ein Fisch!«
    Doch da hatte Ta-ana ihren Pfeil schon seinem Ziel entgegengeschickt. Als er den Mann traf, donnerte es derart, dass alle vorübergehend ertaubten: Der Fremde platzte wie eine reife Frucht.
    Heiße, stinkende Luft fegte Ga-nor in den Abgrund. Ta-ana erging es nicht viel besser. Sobald der Mann explodierte, verspritzte er in alle Richtungen messerscharfe Metallschuppen. Ein gutes Dutzend von ihnen zerheckselte die Irbistochter, die auf der Stelle tot war.
    Da-tur hingegen rettete, dass er dicht an der Felswand stand. Doch selbst dort hätte ihn eine der Schuppen beinahe am Kopf getroffen, während eine andere eine tiefe Schnittwunde an seinem Unterarm hinterließ. Ein Geruch nach verbranntem Fleisch und Haar und nach noch etwas anderem hing in der Luft. Es war ein widerlicher, merkwürdiger Gestank.
    Auf schwankenden Beinen schleppte er sich zu Ta-ana und fiel vor ihr auf die Knie. Sein Blick trübte sich, Blut troff ihm über die Hand, in seinem Kopf dröhnte es. Um ihn herum lagen die Überreste desjenigen, der ihnen den Tod gebracht hatte.
    Irgendwann besann er sich, riss sich das Klanstuch vom Hals und verband damit die Wunde am Arm. Dann rammte er das Schwert in die Erde, um sich, auf dieses gestützt, hochzustemmen – und sich Auge in Auge mit drei Untoten

Weitere Kostenlose Bücher