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Wind Die Chroniken von Hara 1

Wind Die Chroniken von Hara 1

Titel: Wind Die Chroniken von Hara 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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was dieser Kerl im Schilde führte.
    »Da platzt doch die Kröte!«, knurrte Luk leise und spuckte aus. »Was steht der hier in der Gegend rum? Kann der diesen wunderbaren Regen nicht woanders genießen?«
    Allmählich geriet er in Wut. Sowohl auf den Unbekannten als auch auf sich selbst. Da hatte ihm die eigene Vorsicht – die er gut und gern auch als Feigheit bezeichnen konnte – einen schönen Streich gespielt. Immerhin verfügte er über ein Beil und war mindestens doppelt so kräftig wie dieser Kerl, der sich in den letzten drei Minuten nicht vom Fleck gerührt hatte. Luk spuckte noch einmal aus, dann wagte er es: Er trat in den Regen hinaus, atmete tief durch und brüllte: »He, du!«
    Der Mann drehte sich um – worauf Luk sofort einen trockenen Mund bekam. Vor sich sah er ein bleiches, fast schon bläuliches Gesicht, dem die Nase fehlte. An den schwarzen Lippen klebte eingetrocknetes Blut. Und die Augen loderten in einem smaragdgrünen Licht …
    Nachdem er wie wild davongeprescht war, zog Ga-nor schließlich die Zügel an und sprang aus dem Sattel. Früher oder später würde das Pferd schlappmachen. Deshalb sollte er runter von der Straße, denn aus der Burg der Sechs Türme würde man ihm mit Sicherheit Verfolger hinterherschicken. Und da gab er sich keinen falschen Hoffnungen hin: Wenn er allein mehreren Nabatorern gegenüberstand, würde es keine Gnade für ihn geben. Am besten versteckte er sich also im Vorgebirge. In den Wäldern. Und wenn sich wieder alles beruhigt hatte, würde er sich nach Norden durchschlagen, zu seinen Leuten.
    Das Pferd wartete friedlich im Regen ab, was der Mensch wohl beabsichtigte. Was nun kam, tat dem Irbissohn leid, aber es musste sein. Er zog den Dolch und bohrte ihn dem Tier in die Kruppe. Mit einem schmerzerfüllten Wiehern stürmte es davon. Ga-nor sah ihm noch nach, ehe er mühsam den regenfeuchten Fels eines kleinen Berges hinaufkraxelte. Auf der Spitze wuchs ein kleiner Tannenwald, ein hervorragendes Plätzchen, um sich zu verstecken. Also dann: Vorwärts!
    Als er die Bäume endlich erreichte, rang er im Schutze der pikenden Zweige nach Atem. Die Straße lag weit unter ihm, doch trotz des Regens und der heraufziehenden Dämmerung hatte er eine gute Sicht auf sie. Wie ein schmales Band schlängelte sie sich in der Nähe eines tosenden Flusses, der im Regen ganz braun wirkte, durch die flachen Berge.
    Es waren keine fünf Minuten vergangen, als seine Verfolger aus der Festung herausstürmten. Zwei Dutzend entschlossener Nabatorer trieben ihre Pferde an und jagten unter ihm entlang, ohne auch nur in seine Richtung zu blicken. Ga-nor hoffte inständig, die Kerle würden das Pferd nicht allzu schnell entdecken. Und wenn sie es dann doch fanden, vermuten, er habe sich von da an zu Fuß durchgeschlagen.
    Der Irbissohn blieb noch ein paar Minuten am Rand des Abhangs auf der Lauer, dann kroch er zurück. Er stand auf und betrachtete aufmerksam die Stelle, an der er gelegen hatte. Der dicke Teppich aus feuchten Tannennadeln zeigte verräterische Einbuchtungen, aber daran konnte er nichts ändern, denn wie sehr er sich auch anstrengen mochte, am Ende würden ein paar Spuren zurückbleiben.
    Er zog sich die Kapuze des Umhangs über den Kopf und marschierte schnellen Schrittes, vom Wald abgeschirmt, den Hang entlang. Noch wollte er sich nicht tiefer in die Berge begeben, käme er in ihnen doch deutlich langsamer voran. Schon bald ging das Vorgebirge erst in flachere Hügel, schließlich in eine Ebene über. Westlich davon lagen die Grenzgarnisonen – die hoffentlich noch nicht vom Feind überrannt worden waren. Mühelos würde die Südarmee, durch Untätigkeit verfettet, einem Ansturm der Nabatorer jedenfalls nicht trotzen.
    Es dunkelte rasch. Der Regen ließ nicht eine Sekunde nach. Er rauschte in den Ästen der Bäume und riss mit dicken Tropfen die Erde auf. Ga-nor kam es vor, als führe der Wald ein trautes Gespräch mit dem Himmel. Plötzlich drang jedoch ein Schrei an sein geschultes Ohr.
    »Na, komm schon, du Schweinekerl!«, brüllte da jemand. »Worauf wartest du noch?« Die Antwort erfolgte in Form von Gekrächze und Gekeuche. Ga-nor zog das Schwert blank und stapfte entschlossen weiter. Er musste wissen, was da los war. Außerdem brauchte offenbar jemand Hilfe – und dieser Jemand konnte durchaus ein Freund sein.
    Er näherte sich den Kampfgeräuschen immer weiter. Mittlerweile blieb die Stimme stumm, dafür klang das Röcheln blutrünstiger. Der Irbissohn bog einen

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