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Wind Die Chroniken von Hara 1

Wind Die Chroniken von Hara 1

Titel: Wind Die Chroniken von Hara 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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vollschlagen. Erst die Reiter, dann die zarten Menschenkinder aus dem Dorf am Flussufer.
    Das Tier wählte sein Opfer. Den ersten Reiter würde es sich schnappen, bevor die anderen überhaupt begriffen, was geschah. Mit dem Gift würde die Flügelope das Pferd töten. Und mit etwas Glück erwischte sie dabei vielleicht sogar noch ein zweites Reittier.
    Die Flügelope legte die Flügel an und schoss wie ein Stein zu Boden. Die schwarzen Punkte gewannen rasch an Größe. Mit einem Mal pfiff etwas an ihr vorbei, doch darauf achtete sie nicht weiter. Der zweite Schuss war besser gezielt. Ein schwerer Pfeil traf sie in die Brust. Sie wirbelte herum.
    Aufschreiend breitete sie die Flügel aus, drosselte die Fallgeschwindigkeit, brachte die Pfoten mit den grauenvollen Krallen vor sich und wollte nur eins: den schändlichen Feind zerreißen. Doch da fanden bereits vier weitere Pfeile ihr Ziel. Der Schmerz raubte ihr schier den Verstand, sodass sie blindlings Gift um sich spuckte. Sie konnte sich kaum noch in der Luft halten. Mit letzter Kraft änderte sie die Richtung des Fluges. Jetzt hatte sie nur noch einen Wunsch: so schnell wie möglich und so weit wie möglich von diesem Ort zu verschwinden. Da ereilte sie über den Wipfeln der Tannen der nächste Pfeil, diesmal ins Auge. Das Tier schlug auf einen Baum auf, brach sich beide Flügel, fiel zu Boden und krümmte sich in Todesschmerzen.
    Die Verdammte Thia zog mit gelangweilter Miene die Zügel an. Während des überraschenden Angriffs hatte sie nicht einmal mit der Wimper gezuckt. Von ihren fünf Gefährten ließ sich das nicht behaupten. Diese Idioten in der Rüstung der Nabatorer Königsgarde hatten sich vor Angst sogar in die Hosen gepisst, kaum dass sie sich etwas Gefährlicherem als einem Schwert oder einer Lanze gegenübersahen. Wer beschützte hier eigentlich wen? Talki – oder die Verdammte Lepra, wie das Volk sie nannte – musste sich einen schlechten Scherz erlaubt haben, als sie ihr zu dieser Garde geraten hatte. Selbst die Shej-sa’nen erwiesen sich da ja als nützlicher.
    »Das lohnt nicht, Sha-kho«, sagte sie leise. »Verschwende an dieses Aas keinen Pfeil. Der verreckt auch so.«
    Der ältere der Shej-sa’nen mit den sechs rot-violetten Federn in den Haaren steckte den gezackten Pfeil in den Köcher zurück.
    »Wie Ihr wünscht, Herrin.« Die leise Stimme glich einem Rascheln von Blättern. »Die Flügelope ist über uns gekreist. Mein Bruder und ich mussten sie töten, als sie sich auf unsere Gruppe stürzen wollte.«
    »Und ihr habt gut daran getan. Ich bin zufrieden mit euch.«
    Das Lob ließ die beiden Shej-sa’ne anderthalb Yard über die Erde aufsteigen.
    »Herrin«, wandte sich der graue, schnauzbärtige Veteran namens Gray an Thia, »dieses Monster ist noch gefährlich. Ich würde empfehlen …«
    »Habe ich dich um deinen Rat gefragt?«, fuhr sie ihn an.
    Der Mann biss sich auf die Zunge. Seine Untergebenen gaben vor, nichts gehört zu haben. Nach all den Geschichten, die die kampfgestählten Krieger über den schwierigen Charakter dieser Frau gehört hatten, begegneten sie ihr stets voller Furcht.
    Auf den ersten Blick schien Thia nicht älter als neunzehn Jahre zu sein. Sie war von mittlerer Größe, schlank und geschmeidig. Und hatte ein hübsches Gesicht. Die mandelförmigen braunen Augen, die ideal geschnittene Nase und die vollen Lippen ließen an uraltes Blut denken, die schwarzen, zu zwei schweren Zöpfen geflochtenen Haare und die golden schimmernde Haut verrieten ihr südländisches Erbe mütterlicherseits.
    Sie trug einen langen, während der Reise eingestaubten geschlitzten Rock, spitze Wildlederstiefel, ein weißes Männerhemd sowie eine Damenjacke von einer warmen Farbe, die ihren Hautton aufnahm.
    Ihr Schmuck bestand lediglich in einer Kette aus kleinen braunen Muscheln. Waffen führte sie keine mit sich. Nichts an dieser Frau wirkte gefährlich. Aber die fünf Nabatorer und die beiden Shej-sa’nen, im Imperium Ascheseelen genannt, gehorchten ihr aufs Wort.
    Inzwischen krächzte die Flügelope nicht mehr, hörte auch auf, mit den Kiefern zu mahlen oder gelben, schaumigen Speichel auszuspucken, und starb.
    »Untersucht eure Kleidung«, verlangte die Frau. »Wenn dort oder an den Rüstungen Spucke zu finden ist, werft die Sachen fort. Sha-kho, folge mir.«
    Der wortkarge Shej-sa’n begleitete sie zu der Leiche. Die Flügelope reizte die Neugier aller. Diese Wesen lebten weit im Osten, in den unzugänglichen Wolkengipfeln. In

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