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Wind Die Chroniken von Hara 1

Wind Die Chroniken von Hara 1

Titel: Wind Die Chroniken von Hara 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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Wachturm. Einer hält die ganze Zeit Ausschau, die beiden anderen sitzen am Boden, wenn ich mich nicht irre. Ich könnte mir vorstellen, sie würfeln. Kein übler Trick. Wenn jemand sie angreift, glaubt er bis zur letzten Sekunde, er bekommt es bloß mit einem Gegner zu tun. Die Ablösung erfolgt alle zwei Stunden. Dann gibt es noch vier Patrouillen, jede mit drei Mann. Zwischen der ersten und der zweiten und der dritten und der vierten liegen jeweils zehn Minuten, zwischen der zweiten und der dritten zwanzig. Sie sehen sich nur selten um. Die dritte Patrouille hat sich einmal eine halbe Stunde verspätet. Keine Ahnung, warum. Bisher hat es bei den Patrouillen noch keine Ablösung gegeben. Und dann wären da noch die Wachtposten, die Hundsgras umrunden. Zu ihrer Zahl kann ich nichts sagen, aber ich glaube, es sind nicht sehr viele.«
    Ga-nor sah ihn erstaunt an. Wenn er von seinem Gefährten eines nicht erwartet hätte, dann eine derart scharfe Beobachtungsgabe.
    »Was glotzt du so?«, blaffte Luk ihn an. »Sind mir vielleicht Hörner gewachsen?«
    »Woher weißt du das alles?«
    »Wofür hältst du mich eigentlich? Für einen ausgemachten Schwachkopf? Der nur würfeln kann! Ich schiebe schließlich lange genug meinen Dienst in der Burg. Wenn du am Tor stehst, musst du alle Leute aus der Umgebung kennen und wissen, wer Waren liefert oder zu wem jemand reitet. Schmuggler wittere ich schon von Weitem. Aber ihr Kundschafter behandelt uns ja immer wie den letzten Dreck. Dabei …«
    »Ihr habt das Tor offen gelassen«, unterbrach ihn Ga-nor unbarmherzig.
    Luk lag schon eine ebenso gehässige Bemerkung auf der Zunge, doch im letzten Augenblick schluckte er sie hinunter, um bis zum Abend kein Wort mehr von sich zu geben.
    Die Nacht war warm und klar. Der Mond stand zwar noch nicht am Himmel, doch Abertausende von Sternen spendeten ausreichend Licht. Luk kauerte im Versteck, den Blicken der Nabatorer entzogen.
    Ga-nor war vor über einer Stunde aufgebrochen. Allmählich wurde Luk unruhig. Schweiß tränkte den Rücken seines Hemdes, sein Bauch schmerzte. Inzwischen hatte er bereits alle Erklärungen für das lange Ausbleiben des Irbissohns im Kopf durchgespielt. Nach der übelsten von ihnen war der Fährtenleser längst tot. In dem Fall sollte er, Luk, sich schnellstens verdrücken. Wenn sich die Nabatorer daranmachten, ihn nach allen Regeln der Kunst zu suchen, womöglich sogar Hunde oder noch perfidere Wesen auf ihn ansetzten, dann würden sie ihn am Ende auch finden.
    Die Angst schnürte ihm die Kehle ab, sodass er kaum noch atmen konnte. Am liebsten wäre er Hals über Kopf davongestürzt. Deshalb schloss er die Augen und zählte langsam bis zehn.
    Er durfte nicht an Flucht denken. Durfte sich nicht dem Kleinmut überlassen. Bei allem, was Ga-nor für ihn getan hatte, verbot es sich von selbst, ihn im Stich zu lassen.
    Abermals spähte er zu dem schlafenden Dorf hinüber. Da rührte sich nichts. Nirgendwo brannte noch Licht. Wie überall auf dem Lande gingen die Menschen früh zu Bett, um bei Tagesanbruch wieder auf den Beinen zu sein. Schließlich war Sommer. Da wartete die Arbeit. Und wie hatte sein Großvater immer gesagt? »Wer im Sommer nicht aufsteht, wenn es tagt, den im Winter abends der Hunger plagt.«
    Der laute Schrei eines Nachtvogels ließ ihn zusammenfahren und vertrieb all seine Erinnerungen. Wie Luk den Wald doch hasste! Er verstand ihn nicht, und er fürchtete ihn. Dieses ewige Rauschen in den Baumwipfeln. Diese Schreie, die dem Schluchzen eines Kindes zum Verwechseln ähnlich waren. Die Bäume, die oft genug die Konturen schrecklicher Monster zeigten. Die funkelnden Äuglein kleiner Tiere zwischen den Eichenwurzeln. Die hinterhältigen Schatten. Sollte ihn das Schicksal je vor die Wahl stellen, eine Nacht im Wald oder auf dem Friedhof zu verbringen, hätte er nicht auf Anhieb zu sagen vermocht, wofür er sich entschiede. Nachdem er jedoch kurz über die Frage nachgegrübelt hatte, war er sich sicher: auf dem Friedhof. Da wüsste er wenigstens, was ihn erwartete.
    Luk machte die Figur erst aus, als sie auf sechs Yard an ihn herangekommen war. Er griff nach seinem Beil, stemmte sich auf ein Knie hoch und schwor sich, sein Leben so teuer wie möglich zu verkaufen.
    »Ganz ruhig!«
    »Da platzt doch die Kröte! Du lebst noch!«
    »Folge mir. Aber leise«, flüsterte Ga-nor. Über seiner Schulter hing ein Sack. »Ich habe einen Ort gefunden, an dem wir erst einmal bleiben können.«
    Bis zu diesem Ort war

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