Wind Die Chroniken von Hara 1
auf.
»Du kannst auch gern hier drin abwarten, bis sie die Mühle in Schutt und Asche legen«, konterte Ga-nor, wobei Luk nicht genau wusste, ob der Irbissohn das ernst meinte. »Ich verzieh mich jedenfalls in den Wald.«
»Da platzt doch die Kröte, ich auch!«, sagte Luk so schnell, als befürchte er, der Irbissohn wolle ihn tatsächlich zurücklassen.
Sie zogen den Mühlstein fort, den sie auf die Klappe gelegt hatten, und sprangen nach unten. Niemand hielt sie auf, ja, es bemerkte sie noch nicht mal irgendwer. Die Getriebe rumorten zwar, doch die Müllersleute waren in alle Richtungen davongelaufen, sobald es brenzlig geworden war.
Ohne sich um den weiteren Lauf der Ereignisse in ihrem Rücken zu scheren, schlichen Ga-nor und Luk über ein mit hohem Gras bewachsenes Feld und tauchten in den rettenden Wald ein.
Sobald sich die Windhose legte, sah ich die Frau, die uns entschlossenen Schrittes entgegenstapfte, mit fünf Nabatorern in schwarzer Rüstung im Gefolge. Gegen diese Kerle würden wir im Kampf Mann gegen Mann nichts ausrichten können. Nicht bei den Schilden, Schwertern und schweren Harnischen. Die mussten wir vorher mit Pfeil und Armbrust erledigen, sonst würden sie Kleinholz aus uns machen.
Nun heulte auch noch der Stock tief und triumphierend auf. Lahen stieß einen gellenden Schrei aus und warf den Hilss von sich, als glühe er. Doch das half nichts. Ihre Arme wurden von den Fingerspitzen an bis hinauf zu den Schultern in ein lilafarbenes Licht gehüllt.
Mit einem verzweifelten Aufschrei fiel mein Augenstern zu Boden. Das Licht schimmerte jetzt nur noch an ihren Handgelenken und nahm eine Form an, die mich verflucht an Fesseln erinnerten. Ich eilte ihr zu Hilfe, doch sie schrie mir zu: »Komm nicht näher! Sie! Das ist
die Person!
«
Ich hatte noch nie unter Begriffsstutzigkeit gelitten. Sofort verstand ich, dass alles Leid von der Gefährtin der Nabatorer herrührte. Die lilafarbene Magie hatten wir ihr zu verdanken. Kurz entschlossen zog ich einen Pfeil aus dem Köcher, legte ihn ein und schoss. Zwei der Soldaten rückten ihre dreieckigen Schilde zusammen, um die Frau gegen die Gefahr abzuschirmen. Ich fluchte. Aus den Augenwinkeln nahm ich noch wahr, wie Gnuzz und Bamuth geradewegs in den Wald flohen. Auf ihre Hilfe durfte ich nicht mehr rechnen.
Thia hatte nicht erwartet, dass es so leicht sein würde, dieses Luder zu fesseln. Doch bis zur letzten Sekunde, als der Zauber erst in den Hilss einschoss und dann, weitergeleitet durch diesen, auch in die Frau, hatte diese Närrin nicht begriffen, welche Gefahr ihr drohte. Nicht den geringsten Widerstand hatte sie geleistet. Entweder hatten ihre Kräfte dafür nicht gereicht, oder sie hatte dergleichen schlicht und ergreifend nie gelernt. Jetzt hielt der Zauber sie gefangen, auch wenn sie den Stab weggeworfen hatte. Trotzdem blieb die Verdammte Typhus konzentriert. Nicht einen Augenblick lang vergaß sie, dass vor ihr ein wahrer Goldschatz mit einem mächtigen natürlichen Funken stand. Deshalb sollte sie immer noch mit einer Überraschung seitens der Unbekannten rechnen. Auch der Gedanke, das Ganze könne sich als Falle der Schreitenden erweisen, wollte ihr nicht aus dem Kopf. Und erst als die magischen Fesseln die zarten Handgelenke der Bäuerin umspannten, atmete Thia erleichtert durch.
Es war vollbracht! Sie hatte die Frau in ihrer Gewalt!
Da schoben die beiden Gardisten mit einem Mal die Schilde zusammen. Schon in der nächsten Sekunde schlug mit dumpfem Geräusch ein Pfeil ein. Vor Schreck erschauderte Thia. All ihr Sinnen und Trachten hatte ihrer Gegnerin gegolten – um andere Gefahren hatte sie sich gar nicht mehr gesorgt. Ohne ihre Leibwächter wäre nun beinah geschehen, was die Verdammte Typhus schon seit Jahrhunderten erfolgreich zu verhindern wusste. Der unbekannte Bogenschütze schien eine sichere Hand zu haben …
Sie wollte sich diesen Dreckskerl gerade vornehmen, als ein junger Mann den Hilss vom Boden aufnahm …
Über der feigen Flucht von Gnuzz und Bamuth hatte ich unsern Medikus völlig vergessen. Allerdings stand er ohnehin nicht auf meiner Rechnung, weil ich annahm, er würde uns ungefähr so viel nutzen wie Ziegenmilch. Deshalb verschlug es mir geradezu die Sprache, als Shen vorsprang und den Stab aufhob, den Lahen weggeschmissen hatte.
Wie ich es schon einmal beobachtet hatte, verschwamm der Schädel und nahm eine neue Form an. Der kreidebleiche Milchbart richtete ihn kurz entschlossen auf die Frau, die Lahen
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