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Wind (German Edition)

Wind (German Edition)

Titel: Wind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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auf den Beinen. Die Salzhäuser sind nur Höhlen in den Steilwänden, falls ihr das nicht wisst, aber woher solltet ihr das auch wissen. Ganze Familien haben darin gewohnt, nicht bloß die Bergleute. Von dort aus führen Schächte in den Berg hinein. Aber damals waren sie wie gesagt alle verlassen. Trotzdem haben wir aus einem der Höhlenkamine Rauch aufsteigen sehen – und das war so gut, als stünde auf dem Rummelplatz ein Anreißer vor ’ner Wanderschau, nicht wahr?
    ›Jetzt ist die richtige Zeit‹, sagt Steven. ›Weil sie letzte Nacht in dem Bewusstsein, hier sicher zu sein, bestimmt gesoffen haben. Jetzt schlafen sie ihren Rausch aus. Haltet Ihr zu mir?‹
    ›Aye, Revolvermann, das tu ich‹, sag ich zu ihm.«
    Als Peavy das sagte, nahm er unwillkürlich die Schultern zurück. Er wirkte wieder jünger.
    »Wir haben uns die letzten fünfzig oder sechzig Schritt Entfernung angeschlichen, Euer Da’ mit gezogenem Revolver für den Fall, dass sie einen Wachposten aufgestellt hatten. Das hatten sie tatsächlich, aber es war nur ein Junge, der fest geschlafen hat. Deschain hat den Revolver weggesteckt, einen Felsbrocken genommen und ihn damit niedergestreckt. Diesen jungen Burschen habe ich später unter dem Galgen stehen sehen: Rotz und Wasser hat er geheult, die Hosen voll und einen Strick um den Hals. Obwohl erst vierzehn, hatte er sich mit den anderen bei Sai Doolin abgewechselt – bei der entführten Frau, wisst ihr, die alt genug war, seine Großmutter zu sein –, und ich hab ihm keine Träne nachgeweint, als der Strick sein Winseln um Gnade abgeschnitten hat. Das Salz, das man nimmt, ist das Salz, für das man zahlen muss, das kann euch hierzulande jeder sagen.
    Der Revolvermann ist reingeschlichen, und ich gleich hinterher. Sie haben alle rumgelegen und wie die Hunde geschnarcht. Teufel, Jungs, sie waren Hunde. Die Frau – Belinda Doolin – war an einen Stützbalken gefesselt. Sie hat uns gesehen und große Augen bekommen. Steven Deschain hat auf sie gezeigt, dann auf sich, dann hat er die hohlen Hände aneinandergelegt und wieder auf sie gedeutet. Ihr seid sicher hat das geheißen. Ihren dankbaren Gesichtsausdruck, mit dem sie genickt hat, damit er wusste, dass sie verstanden hatte, werd ich nie vergessen. Ihr seid sicher – das war die Welt, in der wir aufgewachsen sind, junge Freunde, und die nun fast nicht mehr existiert.
    Dann ruft Deschain laut: ›Wach auf, Allan Crow, wenn du nicht mit geschlossenen Augen zur Lichtung am Ende des Pfades gehen willst! Wacht alle auf!‹
    Das hat sie geweckt. Er hatte nie vor, sie lebend zurückzubringen – das wäre verrückt gewesen, wie euch sicher klar ist –, aber er wollte sie auch nicht im Schlaf erschießen. Sie sind unterschiedlich schnell wach geworden, sind das aber nicht für lange geblieben. Steven hat seine Revolver so schnell gezogen, dass ich mit den Augen kaum nachgekommen bin. Blitzschnell ist noch zu langsam, mein Lieber. Eben waren die Revolver mit den großen Sandelholzgriffen noch an seinen Seiten; im nächsten Augenblick hat er mit ihnen geschossen, dass die Höhle von ohrenbetäubendem Donner widergehallt hat. Aber das hat mich nicht daran gehindert, selbst zu ziehen. Ich hatte bloß ’nen alten Trommelschießer, ein Erbstück von meinem Granda’, aber ich hab damit zwei von denen umgelegt. Die beiden ersten Menschen, die ich erschossen hab. Seit damals sind leider viele dazugekommen.
    Der Einzige, der diese erste Salve überlebt hat, war Pa Crow selbst. Er war ein alter Mann mit einem nach einem Schlaganfall oder so halbseitig stockstarren Gesicht, aber trotzdem schnell wie der Teufel. Er hatte lange Unterhosen an, und sein Revolver hat in einem Stiefel neben seiner Bettrolle gesteckt. Er hat sie sich geschnappt und sich herumgeworfen. Steven hat ihn erschossen, aber der alte Hundesohn konnte vorher noch abdrücken. Sein Schuss ist zwar danebengegangen, aber …«
    Peavy, der damals kaum älter gewesen sein konnte als wir, die jetzt vor ihm stehenden jungen Männer, öffnete das Holzkästchen mit dem raffinierten Scharnier, betrachtete nachdenklich den Inhalt und sah dann zu mir auf. Seine Mundwinkel umspielte weiterhin ein kleines Lächeln der Erinnerung. »Habt Ihr jemals eine Narbe am Arm Eures Vaters bemerkt, Roland? Genau hier?« Er berührte eine Stelle dicht über der Armbeuge, da, wo der Bizeps begann.
    Der Körper meines Vaters glich einer Landkarte aus Narben, aber ich kannte die Karte sehr gut. Die Narbe über der

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