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Wind (German Edition)

Wind (German Edition)

Titel: Wind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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»Er und ich waren im Wald, wisst Ihr, auf einem unserer kleinen Claims am Eisenholzpfad – wir haben vier oder fünf, alle richtig mit unseren Namen markiert, das sind sie, und ich hab nichts daran geändert, weil er für mich weiter mein Partner ist und es ewig bleiben wird. Also, da haben wir uns etwas aus den Augen verloren. Dann hab ich plötzlich ein Zischen gehört. Dieses Geräusch erkennt man, wenn man’s hört; auf der ganzen Welt gibt’s keinen Laut wie das Zischen, mit dem ein Weiberdrache Luft holt, bevor er …«
    »Schweig«, sagte der Zöllner. »Wenn ich ein Märchen hören will, soll es mit ›Es war einmal vor langer Zeit‹ beginnen.«
    Kells setzte noch einmal an – vielleicht wollte er auch nur seine Verzeihung erflehen –, hielt dann aber doch lieber den Mund.
    Der Zöllner stützte sich mit einem Ellbogen aufs Sattelhorn und musterte ihn durchdringend. »Wie ich höre, habt Ihr Euren Besitz an Rupert Anderson verkauft, Sai Kells.«
    »Yar, und er hat mich reingelegt, aber ich …«
    Der Besucher ließ ihn nicht ausreden. »Die Steuer beträgt neun Silberstücke oder eines aus Rhodit, die es meines Wissens hierzulande nicht gibt, aber das muss ich Euch sagen, weil’s im ursprünglichen Vertrag steht. Ein Stück für das Grundstücksgeschäft und acht für das Haus, in dem Ihr jetzt bei Sonnenuntergang auf Eurem Arsch sitzt und nach Mondaufgang zweifellos Euren Schwanz versteckt.«
    »Neun?«, ächzte Big Kells. » Neun? Das ist …«
    »Das ist was? «, sagte der Zöllner mit seiner rauen, heiseren Stimme. »Überleg dir gut, was du antwortest, Bern Kells, Sohn von Mathias, Enkel von Hinkepeter. Sieh dich vor, denn obwohl dein Hals dick ist, glaube ich, dass er sich dünn strecken würde. Aye, das glaube ich.«
    Big Kells wurde blass – allerdings nicht so bleich, wie der Zöllner im Gesicht war. »Das ist alles sehr gerecht. Mehr wollte ich nicht sagen. Ich hol’s gleich.«
    Er verschwand im Haus und kam mit einem kleinen Beutel aus Hirschleder zurück. Es war Big Ross’ Geldbeutel, über dem Tims Mutter an jenem Tag Anfang Vollerde geweint hatte. Damals, als das Leben trotz Big Ross’ Tod noch schöner gewesen war. Er übergab den Beutel Nell, die ihm die kostbaren Silberlinge in die hohlen Hände zählte.
    Während das geschah, saß der Besucher schweigend auf seinem großen Rappen. Als Big Kells die Stufen herunterkommen und ihm die Steuer geben wollte – fast alles Silber, das sie besaßen, auch wenn Tim seinen kargen Lohn daheim ablieferte –, schüttelte der Zöllner den Kopf.
    »Bleibt, wo Ihr seid. Der Junge soll’s mir bringen, denn er ist aufrichtig, und ich sehe in seinen Zügen das Gesicht seines Vaters. Aye, ich sehe es sehr wohl.«
    Tim ließ sich die zwei Handvoll Silberlinge – wie schwer die waren! – von Big Kells geben und hörte kaum, wie der Mann ihm zuflüsterte: »Pass auf, dass du sie nicht fallen lässt, Tollpatsch!«
    Tim ging wie im Traum die Verandastufen hinunter. Er hielt die hohlen Hände hoch, und bevor er sichs versah, hatte der Zöllner ihn an den Handgelenken gepackt und zu sich aufs Pferd gezogen. Tim sah, dass Sattelkante und -horn mit einer Kaskade aus Silberrunen verziert waren: Monde und Sterne und Kometen und Schalen, die kaltes Feuer verströmten. Gleichzeitig merkte er, dass die Silberlinge aus seinen Händen verschwunden waren. Der Zöllner hatte sie ihm abgenommen, obwohl Tim sich nicht genau erinnern konnte, wann das geschehen war.
    Nell schrie auf und rannte los.
    »Fang sie und halt sie fest!«, röhrte der Zöllner so dicht neben Tims Ohr, dass der Junge auf dieser Seite fast taub wurde.
    Kells packte seine Frau an den Schultern und riss sie grob zurück. Sie stolperte und schlug auf dem Bretterboden hin, sodass ihre langen Röcke hochflogen und die Knöchel sehen ließen.
    »Mama!«, schrie Tim. Er wollte vom Pferd herunterspringen, aber der Zöllner hielt ihn mühelos fest. Er roch nach Lagerfeuerrauch und altem, kaltem Schweiß. »Ganz ruhig, junger Tim Ross, ihr fehlt nicht das Geringste. Sieh nur, wie sie gelenkig aufsteht.« Dann wandte er sich an Nell, die sich inzwischen wieder aufgerappelt hatte: »Nicht ärgern, Sai, ich will nur mit ihm reden. Würde ich einem zukünftigen Steuerzahler des Reichs etwas antun?«
    »Wenn Ihr ihm was antut, bring ich Euch um, Ihr Teufel«, sagte sie.
    Kells drohte ihr mit der Faust. »Halt dein blödes Maul, Weib!« Nell wich jedoch nicht vor seiner Faust zurück. Sie hatte nur Augen für

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