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Wind (German Edition)

Wind (German Edition)

Titel: Wind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Ernie Marchly nicht wie dein Stiefvater ist. Das heißt, dass er nie ohne Partner zum Holzmachen in den Endlosen Wald fahren würde. Aber natürlich – wieder im Gegensatz zu deinem Stiefvater – hat der langsame Ernie wenigstens einen Partner.«
    Tim erinnerte sich an die Glücksmünze auf seiner Haut – und warum er überhaupt zu diesem verrückten Ritt aufgebrochen war. »Einen Drachen hat es nicht gegeben! Und hätte es einen gegeben, dann wäre der Glücksbringer meines Da’s mit ihm verbrannt! Wieso hat er also in Kells’ Koffer gelegen?«
    »Leer mein Becken aus, junger Tim. Du wirst wohl feststellen, dass die lästigen Käfer aus dem Bach verschwunden sind. Nein, nicht hier.«
    »Aber ich will wissen …«
    »Halt die Klappe, und leer mein Becken aus! Du verlässt diese Lichtung nicht, solange es voll ist.«
    Tim kniete sich hin, um zu tun, was der Steuereinnehmer verlangte. Er wollte nur seinen Auftrag ausführen und dann zusehen, dass er von hier wegkam. Er machte sich nichts aus dem »verqueren Kerl« Peter Cosington und bezweifelte, dass der Mensch in dem schwarzen Mantel (falls er ein Mensch war) sich etwas aus ihm machte. Er neckt oder quält mich. Vielleicht kennt er da nicht einmal den Unterschied. Aber sobald sein verdammtes Becken leer ist, springe ich auf Bitsy und reite so schnell wie möglich zurück. Er soll nur versuchen, mich aufzuhalten! Er soll’s nur …
    Tims Gedanken brachen so fein säuberlich ab, wie das ein dürrer, trockener Zweig tun würde, wenn man kräftig mit dem Stiefel dagegenträte. Das Becken fiel ihm aus den kraftlos gewordenen Händen und landete mit dem Boden nach oben im kniehohen Unterholz. Das Wasser war hier frei von Käfern, da hatte der Zöllner recht, und der Bach war so klar wie das Wasser der Quelle hinter ihrem Haus. Etwa zwei Handbreit unter der Oberfläche lag eine menschliche Leiche. Die Kleidung bestand nur noch aus Lumpen, die von der Strömung bewegt wurden. Die Wimpern und Augenlider fehlten ebenso wie der größte Teil des Haars. Gesicht und Arme, einst tief gebräunt, waren jetzt weiß wie Alabaster. Aber sonst war Big Jack Ross vollständig erhalten. Wären diese blicklosen Augen ohne Wimpern, ohne Lider nicht gewesen, hätte Tim glauben können, sein Vater werde gleich von Wasser triefend aufstehen und ihn in die Arme schließen.
    Der Pooky ließ sein hungriges Schlürfen hören.
    Bei diesem Laut zerbrach etwas in Tim, und er schrie los.

Der Zöllner drückte etwas gegen Tims Lippen. Tim versuchte ihn abzuwehren, aber das nutzte nichts. Der Mann riss Tims Kopf einfach grob an den Haaren zurück, und als Tim aufschrie, wurde ihm die Öffnung einer flachen Metallflasche zwischen die Zähne geschoben. Eine feurig brennende Flüssigkeit lief ihm die Kehle hinunter. Kein Fusel, denn statt ihn betrunken zu machen, beruhigte der Trank ihn. Mehr noch – sie bewirkte, dass er sich wie ein eiskalter Besucher im eigenen Kopf vorkam.
    »Die Wirkung lässt in zehn Minuten nach, und dann lasse ich dich deiner Wege ziehen«, sagte der Zöllner. Seine Scherzhaftigkeit war verflogen. Er nannte den Jungen nicht mehr junger Tim; er nannte ihn gar nichts mehr. »Jetzt sperr deine Ohren auf, und hör gut zu. Geschichten über einen Holzfäller, der im Wald von einem Drachen gekocht worden ist, habe ich erstmals in Tavares, vierzig Räder von hier, gehört. Alle Welt hat darüber gesprochen. Ein Weiberdrache so groß wie ein Haus, hat es geheißen. Ich hab gleich gewusst, dass das Blödsinn war. Ich glaube, dass es in diesem Teil des Waldes irgendwo vielleicht noch Tyger gibt …«
    Dabei verzog der Zöllner die Lippen zu einem Grinsen, das mehr eine flüchtige Grimasse war und sofort wieder verschwand.
    »… aber ein Drache? Niemals. So nahe an menschlichen Behausungen hat es seit zehn mal zehn Jahren keinen mehr gegeben – schon gar nicht einen von der Größe eines Hauses. Das hat meine Neugier geweckt. Nicht weil Big Ross ein Steuerzahler ist – oder war –, obwohl ich das der zahnlosen Menge erzählt hätte, wäre jemand aus ihrer Mitte trig genug gewesen, danach zu fragen. Nein, es war Neugier um ihrer selbst willen, weil der Drang, Geheimnisse zu enträtseln, schon immer mein größtes Laster war. Es wird mich eines Tages das Leben kosten, da habe ich keinen Zweifel.
    Schon vergangene Nacht habe ich mein Lager am Eisenholzpfad aufgeschlagen – bevor ich meine Runde gemacht habe. Nur bin ich letzte Nacht ganz am Ende des Pfades gewesen. Auf den Tafeln an

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