Wind (German Edition)
haben darauf gewar tet, dass der Pooky von hier verschwindet, nehm ich an.«
»Kluger Junge«, sagte der Zöllner anerkennend. »Und wie ist’s deinem Stiefvater zumute gewesen, glaubst du, wenn er daran dachte, dass dieser Baumwurm jederzeit weiterziehen könnte, sodass die beiden zurückkommen würden? Zurückkommen und seine Untat entdecken, wenn er nicht den Mut findet, die Leiche tiefer im Wald zu verscharren?«
Das Gefühl in seinem Herzen pulsierte jetzt stärker. Darüber war Tim froh. Alles war besser als das hilflose Entsetzen, das er bei dem Gedanken an seine Mutter empfand. »Ich hoffe, dass er sich schlecht fühlt. Ich hoffe, dass er nicht schlafen kann.« Und dann mit langsam dämmernder Erkenntnis: »Deshalb hat er wieder zu trinken angefangen.«
»Wirklich ein kluger Junge, weit klüger als … Ah, da ist sie ja!«
Der Zöllner wandte sich Tim zu, der jetzt Bitsy losband und aufsitzen wollte. Er näherte sich ihm, wobei er irgend etwas unter dem Mantel versteckt hielt. »Kells hat es aus einem Anfall getan, gewiss, und muss anschließend in Panik geraten sein. Wieso hätte er sich sonst eine so lächerliche Geschichte ausgedacht? Die anderen Holzfäller zweifeln sie an, darauf kannst du dich verlassen. Er hat ein Feuer gemacht und sich ihm ausgesetzt, so lange er es aushalten konnte, bis seine Kleidung versengt und seine Haut gerötet war. Das weiß ich, weil ich mein Feuer auf den Überresten seines Feuers angelegt habe. Aber zuerst hat er die Gunna seines ermordeten Partners mit aller Kraft weit über den Bach in den Wald geschleudert. Das hat er mit dem Blut von deinem Da’ an den Händen getan, möchte ich wetten. Ich bin durch den Bach gewatet und habe das Zeug zusammengesucht. Das meiste war wertloser Kram, aber ein Ding habe ich dir aufgehoben. Es war zwar rostig, aber mein Schleifstein und mein Wetzstahl haben es wieder blank gemacht.«
Unter dem Mantel holte er Big Ross’ Handaxt hervor. Ihre frisch geschliffene Schneide glänzte im Feuerschein. Tim, der jetzt auf Bitsy saß, nahm sie entgegen, führte sie an die Lippen und küsste den kalten Stahl. Dann steckte er den Stiel so in seinen Gürtel, dass die Klinge von seinem Körper wegzeigte, so wie Big Ross es ihn einst gelehrt hatte.
»Wie ich sehe, trägst du eine Dublone aus Rhodit am Hals. Hat sie deinem Da’ gehört?«
Auf Bitsy sitzend, befand Tim sich fast auf Augenhöhe mit dem Zöllner. »Ihr wisst, dass es seine war. Sie hat im Koffer des mörderischen Schweinehunds gelegen.«
»Du hast seine Glücksmünze, nun auch seine Axt. Was hast du damit vor, frage ich mich, falls Ka dir Gelegenheit dazu gibt.«
»Ich schlage ihm den Schädel ein.« Das unbestimmte Gefühl – reine Wut – war aus seinem Herzen ausgebrochen wie ein Vogel, dessen Flügel in Flammen standen. »Von vorn oder hinten – mir ist beides recht.«
»Vortrefflich! Geh mit allen Göttern, die du kennst, und dem Jesusmenschen obendrein.« Nachdem er den Jungen so bis zum Anschlag aufgezogen hatte, wandte er sich ab, um Holz auf sein Feuer nachzulegen. »Vielleicht bleibe ich noch ein, zwei Nächte im Eisenholzwald. Ich finde Tree zu dieser Weiten Erde merkwürdig interessant. Achte auf die grüne Sighe, mein Junge. Sie glüht, das tut sie.«
Tim gab keine Antwort, aber der Zöllner war sich sicher, dass er ihn gehört hatte.
Das taten sie immer, sobald sie bis zum Anschlag aufgezogen waren.
Die Witwe Smack musste am Fenster gestanden haben, denn Tim war mit der fußlahmen Bitsy eben erst an der Veranda angelangt (trotz seiner wachsenden Sorge hatte er das Maultier auf dem letzten halben Rad geführt), als sie ins Freie gestürzt kam.
»Den Göttern sei Dank, den Göttern sei Dank. Deine Mutter hat schon fast geglaubt, du wärst tot. Komm herein. Schnell, damit sie dich hören und berühren kann.«
Wie eigenartig diese Wortwahl war, fiel Tim erst später auf. Er band Bitsy neben Sunshine fest und hastete die Stufen hinauf. »Woher habt Ihr gewusst, dass sie Euch braucht, Sai?«
Die Witwe wandte ihm ihr Gesicht zu (das mit dem Schleier eigentlich kaum ein Gesicht war). »Kannst du nicht mehr klar denken, Timothy? Du bist an meinem Haus vorbeigeritten und hast dein Maultier dabei zu größter Eile angetrieben. Ich konnte mir nicht vorstellen, was du so spät noch draußen zu suchen hast und weshalb du in Richtung Wald geritten bist, also bin ich hergekommen, um deine Mutter zu fragen. Aber komm, komm. Und wenn du sie liebst, achtest du darauf, dass
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