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Wind (German Edition)

Wind (German Edition)

Titel: Wind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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weit geöffnet waren, wandte sich dem Geräusch von Tims Schritten zu. »Wer kommt da?«
    »Tim, Mama.« Er setzte sich neben sie auf die Bettkante. »Kannst du wieder sehen? Wenigstens ein bisschen?«
    Sie gab sich Mühe zu lächeln, aber ihre geschwollenen Lippen konnten nur leicht zucken. »Leider alles dunkel.«
    »Schon gut.« Er ergriff die Hand, deren Finger nicht geschient waren, und küsste sie. »Wahrscheinlich ist es noch zu früh.«
    Ihre Stimmen hatten die Witwe geweckt. »Er spricht wahr, Nell.«
    »Blind oder nicht, nächstes Jahr verlieren wir bestimmt das Haus – und was dann?«
    Nell drehte ihr Gesicht zur Wand und begann zu weinen. Tim sah zur Witwe hinüber, weil er nicht wusste, was er tun sollte. Sie bedeutete ihm, er solle gehen. »Ich gebe ihr etwas, was sie beruhigt – es ist in meiner Tasche. Du hast mit Männern zu reden, Tim. Geh sofort los, damit du sie erwischt, bevor sie in den Wald fahren.«

Peter Cosington und Ernie Marchly hätte er vielleicht trotzdem verpasst, wenn Baldy Anderson, einer der großen Farmer von Tree, nicht im Lagerschuppen der beiden vorbeigeschaut hätte, als sie ihre Mulis anschirrten und sich auf die Arbeit vorbereiteten. Die drei Männer hörten sich seine Erzählung grimmig schweigend an, und als Tim schließlich stockend zum Ende kam, indem er berichtete, seine Mutter sei auch an diesem Morgen noch blind, fasste der verquere Peter ihn am Arm und sagte: »Auf uns kannst du zählen, Junge. Heute wird kein Holz gemacht. Wir trommeln sämtliche Axtmänner im Dorf zusammen, die in den Blossies arbeiten, und auch die, die ins Eisenholz gehen. Heut ruht die Arbeit im Wald.«
    »Ich schicke meine Jungen zu den Farmern«, sagte Anderson. »Zu Destry und zur Sägemühle auch.«
    »Was ist mit dem Konstabler?«, fragte der langsame Ernie leicht nervös.
    Anderson senkte den Kopf, spuckte zwischen seine Stiefel und fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund. »Der ist wieder mal in Tavares, hör ich – versucht Wilderer zu fassen oder besucht die Frau, die er dort aushält. Kommt aufs Gleiche raus. Howard Tasley war nie mehr wert als ein Furz im Sturm. Wir erledigen die Sache selbst und haben Kells längst eingelocht, bis er zurückkommt.«
    »Mit zwei gebrochenen Armen, wenn er sich wehrt«, fügte Cosington hinzu. »Er hat sich nie beherrschen können – beim Trinken nicht und sein Temperament nicht. Solange Jack Ross sich um beide gekümmert hat, war alles in Ordnung, aber seht euch an, was jetzt passiert ist! Nell Ross so zu verprügeln, dass sie blind ist! Big Kells hat immer ein Auge auf sie gehabt, und der Einzige, der das nicht gemerkt hat, war …«
    Anderson brachte ihn mit einem Ellbogenstoß zum Schweigen und wandte sich dann an Tim, wobei er sich mit auf die Knie gelegten Händen nach vorn beugte, weil er ziemlich groß war. »Es war also der Zöllner, der ihn gefunden hat?«
    »Aye.«
    »Und du hast die Leiche selbst gesehen?«
    Tims Augen füllten sich mit Tränen, aber seine Stimme blieb fest. »Aye, das hab ich.«
    »Auf unserem Claim«, sagte Ernie. »Am Ende eines Abzweigs. An dem, wo der Pooky sich einquartiert hat.«
    »Aye.«
    »Allein dafür könnt ich ihn umbringen«, sagte Cosington. »Aber wenn’s irgendwie geht, bringen wir ihn lebend zurück. Ernie, du und ich – wir reiten am besten gleich hin und holen die … du weißt schon, die Überreste, bevor wir mit der Suche anfangen. Baldy, kannst du die Nachricht allein verbreiten?«
    »Aye. Wir versammeln uns beim Krämerladen. Seid auf dem Eisenholzpfad vorsichtig, Jungs. Allerdings schätze ich, dass wir den Mistkerl hier in der Stadt finden, wo er irgendwo besoffen rumliegt.« Und mehr zu sich selbst als zu den anderen sagte er: »Ich hab diese Drachengeschichte nie geglaubt.«
    »Fangt hinter dem Gitty’s an«, sagte Ernie. »Dort hat er nicht nur einmal einen Rausch ausgeschlafen.«
    »Machen wir.« Baldy Anderson sah zum Himmel auf. »Dieses Wetter gefällt mir nicht, sag ich euch. Für Weite Erde ist es viel zu warm. Ich hoffe, dass es keinen Sturm bringt, und bete zu den Göttern, dass kein Stoßwind kommt. Das würde allem die Krone aufsetzen. Dann könnte keiner von uns den Zöllner bezahlen, wenn er nächstes Jahr vorbeikommt. Aber wenn es wahr ist, was der Junge erzählt, hat der wohl einen faulen Apfel aus dem Korb geholt und uns einen Gefallen getan.«
    Aber meiner Mama nicht, dachte Tim. Hätte er mir diesen Schlüssel nicht gegeben – und hätte ich ihn nicht benutzt –,

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