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Wind (German Edition)

Wind (German Edition)

Titel: Wind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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vorgereckt. Die Fetzen an ihren undeutlich sichtbaren Körpern konnten Überreste von Kleidung, aber auch Moosflechten sein, wie man sie sonst an den Bäumen sah. Tim erschienen sie wie ein kleiner Stamm Schlammwesen, die aus dem Sumpf gekommen waren, nur um zu beobachten, wie die schwimmenden Räuber sich endlich ihr Opfer holten und es zerfleischten.
    Was macht das schon? Ich bin erledigt, ob sie nun zusehen oder nicht.
    Eines der kreisenden Reptilien brach aus und wollte auf die kleine Insel springen. Sein Schwanz peitschte das Wasser, der prähistorische Schädel war hochgereckt, und der weit aufgerissene Rachen schien größer zu sein als Tim. Das Tier kam unterhalb der Stelle auf, an der Tim stand, und die Wucht des Aufpralls ließ das Inselchen erzittern. Einige der Schlammwesen am Ufer johlten. Tim fand, dass sie sich wie die Zuschauer bei einem Turnier benahmen.
    Diese Vorstellung machte ihn so wütend, dass sie alle Angst vertrieb. Ersetzt wurde sie durch kalten Zorn. Würden die ihn umkreisenden Räuber sich ihn irgendwann holen? Das schien unvermeidlich zu sein. Aber wenn der Vierschüsser, den die Witwe ihm mitgegeben hatte, tatsächlich kein Wasser abbekommen hatte, musste er in der Lage sein, wenigstens einen der Angreifer teuer für sein Frühstück bezahlen zu lassen.
    Und wenn das Ding nicht schießt, drehe ich es eben um und schlage mit dem Griff auf die Bestie ein, bis sie mir den Arm abreißt.
    Das Raubtier kroch jetzt aus dem Wasser, wobei es mit den krallenbewehrten, kurzen Vorderbeinen große Schilf- und Grasklumpen wegriss, sodass schwarze Löcher entstanden, die sich sofort mit Wasser füllten. Es schob sich mit dem Schwanz – auf der Oberseite schwärzlich grün, unten schmutzig weiß – immer weiter nach oben, wobei dieser unablässig ins Wasser klatschte und Schmutzwasserfontänen in alle Richtungen schickte. Über der Schnauze befand sich ein ganzes Nest Augen, die alle pulsierten und sich vorwölbten, pulsierten und sich vorwölbten. Sie starrten Tim unablässig an. Das Mahlen der langen Kiefer klang, als würden Steine aneinandergerieben.
    Am Ufer – sechzig Schritte entfernt oder auch tausend Räder, das spielte jetzt keine Rolle – johlten die Schlammwesen wieder auf, als wollten sie die Bestie anfeuern.
    Tim öffnete den Stoffbeutel. Seine Hände waren ruhig, sein Griff sicher, obwohl das Ungeheuer nun schon halb auf der Insel war und der Abstand zwischen Tims durchnässten Stiefeln und dem schnappenden Maul nicht viel mehr als eine Armeslänge betrug.
    Er zog einen der Hämmer zurück, wie die Witwe es ihm erklärt hatte, legte den gekrümmten Zeigefinger an den Abzug und stützte sich auf ein Knie. Nun befanden das Raubtier und er sich auf Augenhöhe. Tim konnte den Aasgeruch verströmenden Atem riechen und tief in den wabernden, rosa Rachen hineinsehen. Trotzdem lächelte er. Er spürte, wie seine Lippen sich zu einem Lächeln verzogen, und war froh darüber. Es war gut, lächelnd abzutreten, das war es. Er wünschte sich nur, dass dort vor ihm der Steuereintreiber der Baronie mit seinem Schutzgeist auf der Schulter aus dem Wasser gekrochen käme.
    »Mal sehn, wie dir das schmeckt, Freundchen«, murmelte Tim und drückte ab.
    Der Knall war so laut, dass Tim zuerst glaubte, der ganze Vierschüsser wäre in seiner Hand explodiert. Explodiert war jedoch nicht die Waffe, sondern das scheußliche Augenbündel des Reptils, aus dem jetzt dunkelrotes, fast schwarzes Blut spritzte. Die Bestie brüllte so, dass es in den Ohren schmerzte, und richtete sich auf dem Schwanz auf. Die kurzen Vorderbeine fuchtelten in der Luft herum. Sie fiel ins Wasser zurück, schlug wild zuckend um sich und wälzte sich dann auf den Rücken. Das Wasser um den halb untergetauchten Schädel herum färbte sich in einer blutroten Wolke. Das hungrige Grinsen wurde zu einer Todesgrimasse. Auf den Bäumen schlugen aufgeschreckte Vögel mit den Flügeln, kreischten durcheinander und schrien Verwünschungen herunter.
    Immer noch in unnatürliche Kälte gehüllt (und weiterhin mit einem Lächeln auf dem Gesicht, obwohl er sich dessen nicht bewusst war), klappte Tim den Vierschüsser auf und zog die leere Patronenhülse heraus. Sie rauchte und war sehr heiß. Er griff nach dem Brotlaib, zog den Teigstopfen mit den Zähnen heraus und schob dann eine der Reservepatronen in die Trommel. Anschließend klappte er den Lauf wieder hoch und spuckte den Stopfen aus, der jetzt nach Waffenöl schmeckte.
    »Kommt nur!«, rief

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