Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wind (German Edition)

Wind (German Edition)

Titel: Wind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
Jetzt wurde ihr Leuch ten von dem schlammigen Wasser unter ihr zurückgeworfen. Etwas – kein Fisch – tauchte aus der Brühe auf, glotzte den schwebenden Eindringling starr an und glitt dann wieder unter die Oberfläche.
    Das alles entging Tim. Er hatte nur Augen für das große Binsenbüschel, über dem sie jetzt schwebte. Er würde sich gewaltig strecken müssen, um es zu erreichen, aber dass er es versuchen würde, stand außer Frage. Schließlich wartete die Sighe auf ihn. Um sicherzugehen, machte er einen großen Sprung – und schaffte es trotzdem kaum; ihr grünes Leuchten täuschte, weil es Dinge näher erscheinen ließ, als sie es tatsächlich waren. Tim kam auf und ruderte dabei mit den Armen. Die Sighe machte alles noch schlimmer (unabsichtlich, davon war er überzeugt; sie wollte nur spielen), indem sie rasend schnelle Kreise um seinen Kopf beschrieb, ihn mit ihrer grünen Aura blendete und seine Ohren mit ihrem glockenklaren Lachen füllte.
    Ob Tim sich würde halten können, stand im Zweifel (zum Glück sah er den dreieckigen, mit Schuppen besetzten Schädel, der hinter ihm auftauchte, so wenig wie den mit Dreieckszähnen besetzten aufgerissenen Rachen), aber er war jung und gelenkig. Er gewann sein Gleichgewicht wieder und stand sicher auf der kleinen, grünen Insel.
    »Wie heißt du?«, fragte er die leuchtende Elfe, die jetzt knapp jenseits des Grasbüschels schwebte.
    Tim war sich trotz ihrem silberhellen Lachen nicht sicher, ob sie sprechen konnte – und ob sie dazu die Hohe oder die Niedere Sprache benutzen würde. Aber sie antwortete, und er fand, dass es der schönste Name war, den er je gehört hatte, einer, der genau zu ihrer zarten Schönheit passte.
    »Armaneeta!«, rief sie, und dann flog sie wieder voraus, lachte und sah sich schäkernd nach ihm um.

Er folgte ihr immer tiefer in den Fagonard hinein. Manchmal lagen die grünen Inselchen so dicht beieinander, dass ein großer Schritt genügte, aber als sie weiter in den Sumpf eindrangen, musste er immer öfter springen, und diese Sprünge wurden mit jedem Mal weiter. Trotzdem hatte Tim keine Angst. Er war im Gegenteil vor Aufregung wie benommen und lachte jedes Mal, wenn er taumelte. Er sah die ihm folgenden V-förmigen Körper nicht, die hinter ihm durch das schwarze Wasser glitten, wie die Nadel einer Näherin durch Seide glitt: erst einer, dann drei, dann ein halbes Dutzend. Er wurde von Blutsaugern gestochen, wischte sie weg, ohne ihren Stich zu spüren, und hinterließ dabei Blutflecken auf seiner Haut. Ebenso wenig sah er die zusammengesunkenen, aber halbwegs aufrecht gehenden Gestalten, die ihn auf der Seite begleiteten und mit Augen anstarrten, die im Dunkel glühten.
    Tim streckte mehrmals die Hände nach Armaneeta aus und rief: »Komm zu mir – ich tu dir nichts!« Aber sie wich ihm jedes Mal aus, flog einmal sogar zwischen seinen grapschenden Fingern hindurch und kitzelte seine Haut dabei mit ihren Flügeln.
    Sie umkreiste eine kleine Erhebung, die größer als die Binsenbüschel war. Tim vermutete, dass es ein Felsbrocken war – der erste, den er in dieser Welt, die mehr flüssig als fest zu sein schien, zu sehen bekam.
    »Das ist zu weit!«, rief Tim Armaneeta zu. Er hielt Ausschau nach einem weiteren Trittstein, aber es gab keinen. Wenn er das nächste Grasbüschel erreichen wollte, würde er erst auf den Felsen springen müssen. Sie winkte ihn wieder zu sich heran.
    Vielleicht schaffe ich’s ja, dachte er. Sie scheint jedenfalls davon auszugehen. Weshalb würde sie mich sonst zu sich heranwinken?
    Das Binsenbüschel, auf dem er jetzt stand, war nicht so groß, dass Tim hätte Anlauf nehmen können, deshalb spannte er sämtliche Muskeln an und sprang mit aller Kraft aus dem Stand. Er flog übers Wasser, sah, dass er den Felsen nicht erreichen würde – fast, aber nicht ganz –, und streckte die Arme aus. Er landete auf Kinn und Brust – auf dem Kinn mit solch einem Schlag, dass er vor den Augen, die ohnehin vom Feenglanz geblendet waren, bunte Sterne sah. Er hatte einen Augenblick lang Zeit zu erkennen, dass es sich bei dem, woran er sich festhielt, nicht um einen Felsen handelte – außer Felsen konnten atmen –, und dann hörte er ein gewaltiges wässriges Grunzen unter sich. Dem folgte ein großes Platschen, und Tims Rücken und Nacken wurden mit warmem Wasser bespritzt, in dem es von Ungeziefer wimmelte.
    Tim zog sich auf den Felsen, der kein Felsen war, und merkte, dass er die Lampe der Witwe verloren hatte

Weitere Kostenlose Bücher