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Windkämpfer

Windkämpfer

Titel: Windkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Redick
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letzten Krieg, Mr. Nicklen?«, fragte er. »Ich meine, den großen.«
    »Im Zweiten Seekrieg? Ja, aber nur als Pulverjunge. Als er zu Ende ging, war ich jünger als du heute.«
    »Haben wir wirklich einen von den Mzithrin-Königen getötet?«
    »Oh ja! Den Schaggat! Den Schaggat Ness und seine beiden Bastard-Söhne und seinen Zauberer dazu. In einer nächtlichen Seeschlacht, die bis heute legendär ist. Ihr Schiff ging mit Mann und Maus unter, nicht weit von Ormael, das solltest du eigentlich wissen. Und es wurde bis heute kein einziges Stück davon gefunden. Schaggat , Junge – das heißt bei diesen Straßenkötern so viel wie Gottkönig.«
    »Aber war er nicht … ein Freund Arquals?«
    Bei diesen Worten hatte Nicklen sich Pazel zugewandt und ihn fassungslos angesehen. »Soll das ein Scherz sein, Mr. Pathkendle?«
    »Nein, Sir!«, beteuerte Pazel. »Ich dachte nur … ich meine, ich habe gehört …«
    »Der Schaggat Ness war ein Ungeheuer«, unterbrach ihn Nicklen. »Ein bösartiger, mordgieriger Satan! Der war mit keinem Menschen auf dieser Welt gut Freund.«
    Pazel hatte den Bootsmann noch nie mit solcher Entschiedenheit sprechen hören. Hinterher wirkte er geradezu ermattet. Er lächelte verlegen, klopfte Pazel auf die Schulter, und als sie die Kneipe erreichten, kaufte er dem Teerjungen einen Lauchpuffer und einen Becher Kürbisbier – zwei sorrophranische Spezialitäten. Doch bevor er hineinging, um sich zu betrinken, drohte er ihm mit dem Finger.
    »Wenn du diesmal deinen Posten verlässt, ertränke ich dich vor Hansprit«, warnte er. »Halt die Augen offen, ja? Der Kapitän mag keine Zechgelage.«
    Pazel nickte, obwohl er merkte, dass ihm der Bootsmann etwas verheimlichte. Als Teerjunge bekam man Kürbisbier nur selten zu kosten. Was mochte Nicklen vorhaben? Bestimmt keine Meuterei und auch keine verbotenen Geschäfte mit Todesrauch; für solche Verbrechen war er zu alt und zu langsam. Auch die Gäste, die über ›den kleinen Wachposten‹ ihre Witze machten und ihm so aufdringlich mit den Händen durchs nasse Haar fuhren, sahen nicht wie Schwerverbrecher aus.
    Nach einer Stunde brachte ihm der Bootsmann einen zweiten Puffer und ein altes Schafsfell als Schutz vor dem Regen. Er wirkte übernächtigt und mürrisch; sogar seine Kleider stanken nach Bier. »Immer noch wach!«, lobte er. »Bist ’n guter Junge, Pathkendle. Wer sagt, dass man den Ormaliern nicht trauen kann?«
    »Ich nicht, Sir«, murmelte Pazel und steckte den Puffer ein, um ihn zum Frühstück zu essen.
    »Ich hab sie nie gehasst«, sagte Nicklen mit kummervollem Blick. »Bei so was hätte ich nie mitgemacht … das weißt du hoffentlich, wenn ich die Wahl hätte …«
    Er verdrehte die Augen und torkelte in die Kneipe zurück.
    Pazel setzte sich wieder auf die Stufen. Er war verwirrt. Wegen des Kapitäns machte sich Nicklen bestimmt keine ernsthaften Sorgen. Zwar hielt Nestef tatsächlich nichts von Zechgelagen. Aber er hatte sicherlich Besseres zu tun, als seinem alten Bootsmann im Regen hinterherzulaufen.
    Die Stunden vergingen, Betrunkene betraten und verließen die Kneipe. Pazel döste unter seinem Schafsfell vor sich hin. Doch als etwas Warmes, Samtiges seinen nackten Fuß berührte, war er sofort hellwach. Vor ihm stand die größte Katze, die er je gesehen hatte: ein gepflegtes Tier mit rotem Fell und gelben Augen, die ihn unverwandt ansahen. Eine Pfote lag auf Pazels Zehe, als hätte das Tier ihn angestoßen, um festzustellen, ob er noch lebte.
    »Hallo, mein Herr!«, sagte Pazel.
    Die Katze fauchte.
    »Oh Verzeihung, gnädige Frau? Wie auch immer, verschwinde.« Er schüttelte das Schafsfell ab – und plötzlich stürzte sich die Katze nicht etwa auf ihn, sondern auf den zweiten Lauchpuffer. Pazel hatte kaum einen Fluch über die Lippen gebracht, da hatte sie ihm sein Frühstück auch schon aus der Hand gerissen und strebte in langen Sätzen dem Durchgang zwischen den Häusern zu. Pazel sprang auf und rannte hinterher (er war wieder hungrig und wollte auf seinen Puffer nicht verzichten), aber die Laternen brannten nicht mehr, und bald war die Katze verschwunden.
    »Du räudiger Dieb!«
    Er schrie noch, als ihn abermals die Übelkeit überfiel. Diesmal war sie noch schlimmer: Er taumelte gegen eine Mülltonne, die krachend umfiel. Wieder hatte er den bitteren Geschmack auf der Zunge, und als sich über ihm ein Fenster öffnete und eine Stimme ihn wüst beschimpfte, hörte er nur sinnloses Kreischen. Dann verschwand die Übelkeit

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