Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Windkämpfer

Windkämpfer

Titel: Windkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Redick
Vom Netzwerk:
sonst so viel Mühe geben, um sie alle zu retten.«
    Pazel musste sich beherrschen, um nicht mit dem Kopf gegen den Rumpf zu schlagen. Schwachkopf! Heilloser Schwachkopf! Glindrik war genau das, was sie zu sein schien: eine Freundin. Sie hatte ihn ins Bett stecken und für krank erklären wollen, bevor Pradjit und seine Männer auftauchten. Jetzt war Pazel wieder in der gleichen Lage wie vor zwei Wochen. Wie hatte er nur so töricht sein können?
    Stöhnend vor Zorn wälzte er sich auf den Rücken und setzte sich auf. Sie entfernten sich vom Ufer, aber er konnte Glindriks Hausboot gerade noch sehen. Die alte Frau stand traurig an Deck und sah ihnen nach.
    Seine Entführer nannten ihn nicht mehr Chplegmun. Schon bald näherte sich ihr Boot einer großen Insel im Fluss mit sandigen Stränden, die im Mondlicht leuchteten. Hinter den Dünen ragten niedrige Bäume auf.
    Das Boot lief auf Grund; die Flikker sprangen heraus und zogen es ans Ufer. Zu beiden Seiten lagen weitere Boote, und in der Nähe waren Flikker-Stimmen zu hören. Pazel wurde auf die Beine gestellt und an den Strand geschoben.
    Die Stimmen kamen von einer größeren Gruppe am Rand des Wäldchens. Mindestens ein Dutzend Flikker mit acht oder zehn gefangenen Jungen waren dort versammelt. Pazel musterte sie mit einem Blick. Die meisten der Jungen waren hochgewachsen und kräftig. Sie würden schnell verkauft werden. Nur ganz hinten stand eine sehr kleine Gestalt. Die Entführer stießen sie immer wieder an und brummelten: Kein Gewinn, werdet schon sehen, der bleibt uns am Ende der Nacht übrig.
    Einer riss boshaft am Seil des Kleinen. Der Junge schrie: »Lass das, du Kröte! Das tut greimig weh!«
    Pazel war wie vom Donner gerührt. Diese hohe Stimme war unverwechselbar.
    »Neeps!«
    Der kleine Junge drängte sich nach vorne, und dann stand er da und riss Mund und Augen auf.
    »Pazel Pathkendle! Das kann doch nicht wahr sein!«
    »Neeps, du verrückter Hund! Wie haben sie denn dich erwischt?«
    »Wegen Prügelei entlassen!«, schniefte Neeps.
    »Nicht schon wieder!«
    »Schuld war Jervik, dieser Rüpel! Er und dieser Schurke von Swellows, ich hätte … «
    »Nicht reden!«, fauchte der oberste Flikker erbost, und sein Körper sprühte Funken. »Eine Reihe bilden! Wir gehen zur Versteigerung!«
    Die Gefangenen mussten die Düne hinaufmarschieren. In Pazel tobte ein Sturm widerstreitender Gefühle: Freude über das Wiedersehen mit seinem Freund, Erstaunen darüber, ihn hier zu finden, Angst vor dem, was ihnen beiden bevorstand. Und, am schlimmsten, ein hartnäckiger Verdacht, dass Neeps’ Entlassung etwas mit ihm selbst zu tun hatte.
    Auf dem Dünenkamm angelangt, drehte Pazel sich um und schaute den Weg zurück, den sie gekommen waren. Ein breites Flussdelta lag unter ihnen im Mondlicht, ein Fächer aus geriffeltem Silber und schwarzen Schatteninseln. Dahinter öffnete sich das Meer. Doch zwischen den Inseln versteckte sich eine ganze Flotte von Schiffen: Fünfzehn oder sechzehn kleine Briggs und Schoner lagen schwojend vor Anker.
    Neeps hatte sie auch gesehen. »Etwas sagt mir, dass wir hier nicht lange bleiben werden«, flüsterte er. »Bei allen rülpsenden Teufeln, Kumpel, was war ich nur für ein greimiger Narr.«
    Pazel fand, dass Neeps ihm in dieser Hinsicht nicht viel voraushatte. »Wie bist du denn nun hierher gekommen?«, fragte er.
    »Später«, raunte Neeps. »Wir werden beobachtet.«
    Nach den Dünen ging es durch Schlamm und Inselgestrüpp, wo jeder Nachtvogel, der je gelebt hatte, sich mit Rufen und Pfeifen, Zwitschern und Krähen bemerkbar machte. Hin und wieder sah Pazel Feuerschein durch die Bäume leuchten. Wenn der Wind sich drehte, stieg ihm der Geruch nach Holzrauch und gebratenem Fisch in die Nase.
    Grölendes Gelächter drang an sein Ohr. Der Weg endete unvermittelt an einer großen Lichtung mit vielen prasselnden Feuern. Hunderte von Besuchern hatten sich hier versammelt – sie aßen und tranken und balgten sich, Sticheleien und Beschimpfungen flogen hin und her. Bis auf etwa zwanzig Flikker handelte es sich um lauter Menschen, von denen jedoch keiner bei Pazel große Hoffnungen auf Rettung weckte. Viele Seeleute waren darunter – wie immer an ihrer wettergegerbten Haut zu erkennen –, aber wenn sie ihn ansahen, ließ ihr Blick jede brüderliche Wärme vermissen. Jeder hatte ein Messer bei sich. Einige hatten sich Murten-Knochen oder andere Amulette in die Barte geflochten. Nicht wenigen fehlten Zähne, ein Auge oder mehrere

Weitere Kostenlose Bücher