Windkämpfer
blieb vor einem mageren Jungen links von Pazel stehen. »Schon mal nach Perlen getaucht?«
Völlig verblüfft stammelte der Junge: »Ja! Oh ja, Sir! Oft und oft!«
»Und wo?«
»Wo … wo man die Perlen eben findet, Sir.«
»Du lügst. Na ja, halt trotzdem mal den Atem an. Nun mach schon.«
Druffle hatte plötzlich eine silberne Taschenuhr in der Hand. Der Junge holte tief Luft. Druffle hielt sein Ohr dicht an sein Gesicht und lauschte auf heimliche Atemzüge. Bald färbte sich das Gesicht des Jungen purpurrot.
Neeps, der am Ende der Reihe stand, beugte sich vor und sah Pazel an. Dann sagte er laut, aber auf Sollochi: »Fang jetzt an zu atmen, Kumpel. So tief du nur kannst – Autsch!«
Ein Flikker brachte ihn mit einer Ohrfeige zum Schweigen. Aber Pazel hatte verstanden. Neeps war Taucher – sogar Perlentaucher. Druffle würde ihn sicherlich kaufen. Und wenn sie eine Chance haben wollten zusammenzubleiben, musste auch Pazel die Prüfung bestehen.
Der magere Junge sah elend aus. Druffle kniff ein Auge zu, nahm den Riesenaal von seiner Schulter, schob den graugrünen Kopf an das Gesicht des Jungen heran – und schnappte unversehens mit dessen Kiefern nach seiner Nase.
»Du bist unter Wasser, Bursche! Nicht atmen, nicht atmen!«
»Pchhhh!«
Der Junge atmete. Druffle schnaubte verächtlich.
Pazel fing an, in tiefen Zügen Luft einzusaugen, wie Neeps es ihm geraten hatte. Etwas benommen, aber zu allem entschlossen, sah er, wie Neeps die Prüfung mühelos bestand und Druffle einem Flikker Goldmuscheln in die Hand zählte. Dann schaute der Mann die Reihe entlang.
»Einen brauche ich noch«, sagte er.
Pazel setzte alles auf eine Karte und rief auf Ormal: »Versuchen Sie’s mit mir, Sir!«
Der oberste Flikker hob warnend den Zeigefinger. Druffle dagegen lächelte breit. »Ein Junge von der Chereste!«, sagte er. »Damit sind wir schon zwei. Wie lange warst du nicht mehr zu Hause?«
»Sehr lange«, sagte Pazel.
»Und deshalb wirst du mir alles erzählen, was ich hören will, um Ormael wiederzusehen. So wie das Fröschlein hier, um an mein Gold zu kommen. Wo bist du getaucht?«
»Von einem Walfänger aus. Der Kapitän ließ uns alle zwei Wochen den Rumpf nach Salzwürmern absuchen.«
Druffle seufzte und wandte sich ab. »Also keine langen Tauchgänge?«
»Sir!« Pazel packte ihn am Ärmel. »Sie wollten die Wahrheit hören, und die Wahrheit lautet, ich kann tauchen wie ein greimiger Seehund! Verzeihen Sie meine Ausdrucksweise, Sir. Sie werden sehen, im Verhältnis zu meiner Körpergröße sind meine Lungen riesig …«
»He, he«, lachte Druffle.
»Und die Murten, Mr. Druffle! Beinahe hätte ich die See-Murten vergessen! Sie lieben die Wale und hassen die Walfänger, das sagte jedenfalls unser Kapitän. Er fürchtete, sie hätten Zaubersprüche unten an das Schiff geschrieben, und wir mussten tauchen und danach suchen, Sir, und sie gründlich abkratzen, was gar nicht so einfach war, da sie gar nicht existierten …«
»Schweig! Wenn du nach all dem Gefasel noch den Atem anhalten kannst, bist du wirklich ein Taucher! Los jetzt, versuch’s.«
Pazels Wortschwall hatte tatsächlich alle Bemühungen, sich einen Luftvorrat anzulegen, zunichtegemacht, aber was blieb ihm übrig? Er sog einen letzten Schwall in seine Lungen und hielt den Atem an. Druffle schaute auf seine Uhr. Die Flikker schauten auf Pazel. Die Volpek wiegten ihre mächtigen Köpfe.
Schon bald hatte Pazel das Gefühl, sein Kopf sei unter die Hufe eines Pferdes geraten. »Nicht atmen!«, zischte Druffle, und »Nicht atmen! Nicht atmen!«, krächzten seine Entführer, wedelten mit den Händen und leuchteten auf wie die Glühwürmchen. Der oberste Flikker hielt ihm die Nase zu.
Als er schon zweimal so lange durchgehalten hatte wie der erste Junge, tanzten ihm rote Flecken vor den Augen. Nicht atmen! Nicht atmen! Neeps’ besorgtes Gesicht schwamm in sein Blickfeld, wurde aber überdeckt von Druffles Gesicht, das mit dem Kopf des Aals zu verschwimmen schien. Die roten Flecken wurden schwarz. Gleich würde er umfallen.
Leb wohl, Neeps.
Plötzlich machte Druffle einen Satz und schlug die Hand des Flikkers weg. »Atme, Junge, um Rins willen, atme!«, rief er. »Du gehörst mir.«
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S TELDAKS R ETTUNG
25. Modoli 941
73. Tag nach Etherhorde
Sonnenuntergang: trockener Wind, kupferroter Himmel. Kapitän Rose schloss sein Rechnungsbuch (das amtliche, über das man nur lachen konnte, nicht das geheime Verzeichnis seiner
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