Windkämpfer
persönlichen Gewinne) und legte den Federkiel auf den Schreibtisch. Ein paar Schritte daneben stand sein Diener am Esstisch, polierte geschäftig die Teller und legte das antike Silberbesteck auf. Rose runzelte die Stirn. Gäste zum Abendessen waren eine der Amtspflichten, die er verabscheute.
An der Rückseite des Schreibtischs stand der schmutzige Käfig mit dem gefangenen Kriechling. Rose musterte ihn aus dem Augenwinkel. Irgendetwas stimmte nicht, die Miene des Kriechlings war zu heiter. Er stank und fröstelte und zog die Fliegen an. Auch von Geistern wurde er umschwirrt, die jedes Mal zu schnattern begannen, wenn Rose ihm den Rücken kehrte. Das hieß vermutlich, dass das Wesen krank war. Aber heute war sein Vorkoster seltsam ruhig. Rose hatte ihn sogar dabei ertappt, wie er sich reckte und streckte wie ein Akrobat vor einem Kunststück. Dieses Verhalten war verdächtig, und Rose beschloss, den Kriechling bei erster Gelegenheit auszuwechseln. Swellows war immer auf der Suche nach Kriechlingsschädeln und würde ihm für dieses Häufchen Elend sogar noch etwas bezahlen.
»Noch zwanzig Minuten, Kapitän«, sagte der Diener. »Soll ich Sie jetzt ankleiden?«
»Kümmern Sie sich um den Tisch, ich kleide mich selbst an.«
Er stellte den Käfig in die Schreibtischschublade und knallte sie zu. Der Kriechling schaute nicht einmal auf, als er in die Dunkelheit geschoben wurde.
»Widerlicher Hexenwurm«, murmelte Rose.
Er trat an den Schrank, schlüpfte in seinen Abendanzug und begann, sich den Bart zu kämmen. Mr. Teggatz eilte mit vielen Verbeugungen hin und her, um Brot, eine Schale mit Obst und einen Napf mit Duftsand zu bringen, in den Oggosk ihre ausgekaute Safranwurzel spucken konnte. Roses Stimmung verdüsterte sich noch mehr. Natürlich würde sie auch die Katze mitbringen.
Als Erster traf Sandor Ott ein. Als Teggatz sich zurückgezogen hatte, trat er hinter den Kapitän und murmelte: »Da haben Sie dem Schaggat zwei gute Bewacher verpasst. Ich hätte keine bessere Wahl treffen können.«
»Den Augrongs ist es vollkommen egal, wer hinter dieser Tür sitzt«, sagte Rose. »Aber das weiß sonst niemand.«
»Und Seine Abscheulichkeit mag zwar ständig davon reden, dass er ein Gott ist, aber er wird sich hüten, diese Bestien zu reizen. Und seine Söhne sind ohnehin außer sich vor Angst. So lassen sie sich am besten bezähmen, wie?«
»Diesen Irren wird nichts auf Dauer bezähmen«, sagte Rose.
Ott lächelte. » ›Mein Wolf, mein roter Eisenwolf!‹ Haben Sie eine Ahnung, was das bedeutet?«
»Er ist eben verrückt.«
»Natürlich – aber er hat auch ein langes Gedächtnis. Agenten der Geheimen Faust berichteten mir von einem gewissen Roten Wolf des Mzithrin. Es war ein Gegenstand, den die Menschen fürchteten und um den sie kämpften. Warum er jetzt davon faselt, wüsste ich wirklich gerne.« Er schüttelte den Kopf. »Auf jeden Fall wird Tascha Isiq in zehn Tagen verheiratet sein. Und wenn wir erst auf dem offenen Meer sind, kann der Schaggat brüllen, so viel er will.«
»Genau wie ich«, sagte Rose. »Ich werde brüllen, und nicht nur das. Und dieser Bolutu wird es als Erster zu spüren bekommen.«
Ott hob einen Finger. »Sie sollten den Tierheiler nicht töten, Sir. Er mag sonderbar sein, aber er ist auf seinem Gebiet der Beste im ganzen Großreich und muss dafür sorgen, dass unsere Schweine, Rinder und Hühner gesund bleiben. Wer weiß schon, wie lange wir uns von ihrem guten Fleisch ernähren müssen? Seit mehr als hundert Jahren hat niemand mehr die Herrschersee überquert. Aber wenn Sie wollen, können wir ihn nach Taschas Hochzeit in Ketten legen.«
Rose knurrte. »Er kann da schlafen, wo er auch arbeitet, bei den Tieren nämlich. Und dort soll er auch essen. Aber was ist mit dem Schatz, Ott? Was haben Ihre Männer dazu zu sagen?«
»Was sie zu sagen haben? Natürlich, dass niemand von unserem Versteck etwas ahnt. Keine Angst, Kapitän. Der Schatz wird weder gestohlen noch unterschlagen oder ins Meer geworfen werden. Alles wird noch da sein, wenn Seine Abscheulichkeit bereit ist, davon Gebrauch zu machen. Aber dieser Tag ist noch fern.«
Allmählich trudelten auch die anderen Gäste ein. Die junge Pacu Lapadolma, die musikalische Großnichte der Eignerin, zog die sauertöpfische Tascha Isiq hinter sich her. Bolutu selbst kam in seinen feinen Kleidern und mit seinem vornehmen Lächeln. Thyne, der verbliebene Vertreter der Kompagnie, hielt Abstand von Rose und Ott, soweit das möglich
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