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Windkämpfer

Windkämpfer

Titel: Windkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Redick
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Kuppeln unten in der Stadt. Dort überwältigte der Kaiser seine Untertanen mit seinem Reichtum: mit der Rubinkrone und mit dem Thron, der aus einem einzigen blassvioletten Kristall geschnitten war. Hier schlugen zwei aufgedonnerte Konkubinen auf einer Terrasse die Käfer tot, ein uralter Gärtner harkte abgefallene Fliederblüten zusammen, und die Königinmutter führte einen weißen Eber an einer Kette durch den sumpfigen Park.
    Hoch oben im Wetterturm flogen die Fensterläden auf. Sandor Ott, Meister der Spione des Imperiums, streckte die behandschuhte Hand aus dem Fenster. Er war schon alt und von eher kleinem Wuchs, aber drahtig und stark. Ungeduldig beobachtete er den Anflug des Falken. Unter dem Handschuh überzog ein dichtes Netz von Narben seinen Arm.
    Der Falke flatterte noch einmal und landete auf dem Handschuh. Der Alte begrüßte ihn mit zärtlichem Gurren und strich ihm über den Rücken.
    »Niriviel, mein wackerer Streiter! Nun darfst du dich ausruhen und heute Abend von meinem Teller essen! Doch was bringst du für Nachrichten, schönster aller Falken? Sprich auf der Stelle!«
    Im Turmzimmer drängte sich eine Gruppe von jüngeren Männern atemlos zusammen. Insgesamt waren es sechs: selbstsicher, athletisch, mit wachen Augen und ebenmäßigen Zügen. Einige waren in schwere Seide gekleidet, andere trugen die Jaquina-Hemden aus schneeweißer Baumwolle, die seit dem letzten Besuch des Prinzen von Talturi in Mode gekommen waren. Keiner war bewaffnet (dazu war innerhalb der Burgmauern nur Ott berechtigt), aber die meisten waren von Narben gezeichnet. Einer hatte das Feuer geschürt, als der Vogel eintraf, und stand nun mit offenem Mund da, den vergessenen Schürhaken in der Hand. Auch von den anderen regte sich keiner, solange Ott das Ohr dicht an den scharfen Schnabel hielt. Die Männer hatten fröstelnd und in mürrischem Schweigen die Nacht durchwacht, keiner hatte geglaubt, dass der Vogel tatsächlich käme; sie hätten den alten Krieger ausgelacht, hätten sie es nur gewagt. Und nun war der Falke da. Würde sich auch der Rest seiner Geschichte bestätigen? Würden sie hier in ihrer Mitte Worte aus dem Schnabel eines wilden Tieres hören?
    Nein, das wohl doch nicht: Niriviel pfiff nur schrill wie ein ganz gewöhnlicher Raubvogel. Aber Sandor Ott lauschte reglos, und so folgten die anderen seinem Beispiel. Dann ließ der Vogel einen langgezogenen Triller hören und vollführte auf dem Arm des Meisters der Spione einen merkwürdigen Hüpfer, wie um ihm etwas zu demonstrieren.
    Ott holte tief Luft. Dann trug er den Falken unter beständigem Flüstern und Streicheln zu einer Stange. Nachdem er ihn abgesetzt hatte, wandte er sich den anderen zu und zog sich langsam den Handschuh ab. Tiefe Erregung spiegelte sich in seinen Zügen. Die Hand öffnete und schloss sich einmal und ballte sich dann zur Faust.
    »Rose ist gefunden«, sagte er.
    Es wurde plötzlich so still im Raum, dass man das Knacken eines feuchten Kiefernscheits hören konnte. Die Männer wechselten verstohlene Blicke. Ott bemerkte es und rief mit erhobener Stimme: »Hört ihr nicht? Nilus Rotheby Rose ist gefunden! In Sorrophran, er kommt soeben aus der Engen See und wird in vier Tagen am Steuer der Chathrand stehen. Nun macht doch den Wein auf, wir wollen auf unser Glück trinken. Endlich beginnt das Spiel!«
    Die Männer sahen die Weinflasche an, ohne sich zu rühren. Einer nahm den Korkenzieher vom Tisch, klappte ihn auf und warf einen unschlüssigen Blick auf seine Kameraden. Sandor Ott trat in die Mitte des Raumes.
    »Ist das nicht eine wunderbare Nachricht, Männer? Damit brechen goldene Zeiten für euch an. Bedenkt doch nur: In einem Jahr wird euch der Erhabene alle zu Verteidigern des Reiches ernennen. Und noch in Jahrhunderten wird man die Namen eurer Familien in Liedern verherrlichen. Heute arbeitet ihr noch im Geheimen, aber eure Enkel werden wissen, dass sie von den einstigen Rettern des Reiches abstammen. Ihr werdet mehr sein als Helden, ihr werdet – Zirfet Salubrastin! «
    Ein Hüne, sicher der stärkste Mann im Raum, fuhr erschrocken zusammen, als er seinen Namen hörte.
    »Warum schaust du zur Tür, du strohgestopftes Maultier?«
    »Das tue ich doch gar nicht, Sir!«, stieß Zirfet hervor. Er stand wie angewurzelt, den mächtigen Körper leicht dem Turmeingang zugewandt. Ott durchquerte den Raum und baute sich vor ihm auf. Der Alte reichte Zirfet nicht einmal bis zur Schulter.
    »Du wolltest dich unbemerkt verdrücken«,

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