Windkämpfer
Schultern zuckten. Er warf die Flasche beiseite und sprang von Zirfets Rücken. Der rappelte sich mühsam wieder auf. Ott beobachtete ihn und lachte noch lauter.
»Wenn du ›Ja‹ gesagt hättest, hätte ich dir geglaubt, mein Junge. Und dann lägst du jetzt mit durchschnittener Kehle tot auf dem Boden.«
»Dessen bin ich mir bewusst, Meister«, keuchte Zirfet.
»Dieses Messer«, sagte Sandor Ott und nahm es vom Tisch, »drückte mir mein erster General in die Hand, nachdem ich auf der Ega-Brücke den Mzithrin-Lord Tiamek getötet hatte. Willst du es nun von mir annehmen, Zirfet Salubrastin, zum Zeichen dafür, dass du deine Ehre verteidigt hast?«
Zirfet erstarrte zum zweiten Mal und machte große Augen. Dann taumelte er auf seinen Meister zu und nahm das Messer entgegen. Die anderen wechselten Blicke; die Entscheidung wurde mit grimmigem Nicken gutgeheißen.
Der Meister der Spione hob die Karte vom Boden auf. Sie war vom Wein verdorben: die Westgebiete schienen in einem Meer von Blut zu versinken.
»Und nun hört mir gut zu, denn ich sage es nur einmal«, befahl Ott. »Ihr braucht euch nicht nach einer Tür umzusehen, denn es wird keine Tür geben, durch die ihr gehen könnt. Nicht für euch sechs, nicht für mich, nicht einmal für den Erhabenen. Rose wird dieses Schiff führen, und wir werden mit ihm fahren. Das Spiel hat begonnen, Männer. Und wir werden es spielen bis zum bitteren Ende.«
4
D IE K UTSCHE
Vaqrin 941
7.40 h
Kapitän Nilus Rotheby Rose spürte, wie sich die Katze an seinem Bein rieb, und unterdrückte den Wunsch, ihr einen ordentlichen Tritt zu versetzen. Das würde das Vieh schon lehren, auf Abstand zu bleiben. Aber natürlich hütete er sich. Sniraga, die große rote Katze, war Lady Oggosks Liebling. Mit etwas Glück erinnerte sich die Bestie vielleicht daran, wie sehr er jede Berührung verabscheute, ohne dass er sich mit einem Fußtritt die Gunst der Hexe verscherzen musste. Die drei waren schon früher gemeinsam zur See gefahren.
Die Kutsche quälte sich bergan. Er saß, die mächtigen Arme über dem Bart verschränkt, der Hexe gegenüber und sah ihr beim Rauchen zu. Die Pfeife war neu. Die Lippen, die sie hielten, waren noch trockener als früher. Die Falten daneben noch tiefer. Aber die milchblauen Augen mit ihrem Raubtierblick waren unverändert, und er dachte: Sie begutachtet mich sicher ebenso wie ich sie. Dann achte lieber auch auf meine Augen, du mörderische alte Vettel.
»Aha!«, sagte er. »Sie hat man also in Besq geschnappt.«
»Pah!«
»Bitte um Vergebung«, sagte Rose. »Hat man Sie vielleicht umworben? Sie Herzogin genannt? Ihnen eine Einladung in Silberschrift auf Büttenpapier überreicht?«
Die alte Frau rieb sich ausgiebig die Nase. Der Kapitän wandte sich angewidert dem Fenster zu.
»Warum geht es bergauf?«, wollte er wissen. »Warum fahren wir nicht zum Hafen?«
»Weil um Ihr Schiff ein Gedränge herrscht wie auf dem Jahrmarkt von Ballytween«, murmelte Oggosk. »Außerdem müssen wir noch zwei Fahrgäste abholen.«
»Zwei? Der Bürgermeister hat nur von einem gesprochen – diesem geschniegelten Arzt.«
Oggosk schnaubte. »Der Bürgermeister von Sorrophran ist der Schuhputzer des Kaisers – nein, er ist nur der Putzlappen. Aber die Chathrand gehört nicht dem Erhabenen. Um das Große Schiff zu mieten, ist er auf das Wohlwollen der Reederfamilie der Chathrand angewiesen. Auf dieses Schiff kommt keine Besatzung ohne den Segen der Familie.«
»Halten Sie mir keine Vorträge, Oggosk«, polterte Rose warnend. »Die Chathrand stand schon früher unter meinem Befehl. Kein anderer ist länger und besser mit ihr gefahren.«
»Dann erinnern Sie sich bestimmt auch an Lady Lapadolmas aufreizendste Marotte.«
»Diese schrecklichen Verse zu deklamieren?«
»Über die Besatzung zu bestimmen!«, fuhr ihn Oggosk an. »In Ihre Befugnisse als Kapitän einzugreifen! Uns auf jeder Reise ein oder zwei von ihren persönlichen Klatschmäulern aufzubürden. Keine andere Reederfamilie erdreistet sich das.«
Rose brummte nur. Lady Lapadolma Yelig war die matriarchalisch herrschende Großmutter jenes Reedereigeschlechts, das seit zwölf Generationen Eigentümer und Ausrüster der Chathrand war. Sie war eine Cousine des Kaisers, wahrte aber, was ihre Loyalität zum Ametrin-Thron anging, bestenfalls die Form. Ihre Familie hatte bei Heiraten innerhalb wie außerhalb des Imperiums immer nach Macht gestrebt: Lapadolma selbst war die Witwe des Bichwa Egalguk,
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