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Windkämpfer

Windkämpfer

Titel: Windkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Redick
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brauchte.
    Aber Neeps, Marila und Mintu waren bereits unten. Er könnte ihnen – und Tascha – nie mehr in die Augen sehen, wenn er sich hier zusammenkauerte und hoffte, verschont zu bleiben. Er legte sich das Seil über die Schulter. Wenn du jetzt nicht springst, hält dich die Angst fest. Er nahm sich ein Gewicht, holte ein letztes Mal tief Atem, und dann sprang er.
    Mit einem Mal lief die Zeit (oder sein Verstand, vielleicht auch beides) schneller. Das Gewicht riss ihn geradewegs nach unten durch die Öffnung. Der Tang nahm ihn auf, der Sandboden raste ihm entgegen. Wo war das Wrack? Er trudelte hilflos dahin, das Tau scheuerte an seinem Arm. Er würde nicht einmal die Lythra selbst, geschweige denn einen Teil ihrer Ladung finden, bevor ihm die Luft ausging.
    Dunkelheit – pechschwarze Nacht! Entsetzt schaute er nach oben. War er in eine Höhle gestürzt? Dann kehrte das Licht ebenso plötzlich zurück, und er sah, was geschehen war. Eine Strömung hatte den Tang bewegt wie Steppengras im Wind. Ein Wedel um den anderen hatte die Sonne verdeckt. Sobald die Welle vorüber war, hatten sie sich wieder aufgerichtet, und das Licht konnte von neuem herabströmen.
    Die Erscheinung wiederholte sich. Finsternis, Licht. Warum hatte sie davor niemand gewarnt?
    Dann sah er es, vierzig Fuß unter der Bathysphäre: ein dicker schwarzer Stamm auf dem Meeresgrund. Er war von Algen überwuchert und von Seepocken zerfressen, aber es war unverkennbar ein Achtersteven. Pazel ließ das Gewicht fallen und schwamm darauf zu. Da, und da! Die Seile anderer Taucher verschwanden im Tang. Er hielt Abstand. Schon brannten ihm die Lungen. Der Stamm zeigte wie ein Finger durch eine Öffnung im Tang, und als Pazel durch die Lücke schwamm, bot sich ihm ein Ehrfurcht einflößender Anblick.
    Vor ihm lag die Lythra, aufgebrochen wie ein Ei. Doch nein – es war nur die hintere Hälfte, die sich an einem zackigen Felsen verfangen hatte. Das ganze Schiff war wie von Riesenhänden entzweigerissen worden. Aber wo war der Bug geblieben?
    Finsternis, Licht, Er sah Neeps, der dicht über dem Boden am Wrack entlang schwamm und alles in Augenschein nahm. Pazel folgte ihm, und schon berührte er mit den Fingern den Rumpf. Vor ihm lag eine offene Stückpforte. Dahinter ein verkrusteter Klumpen, die Kanone. Er hatte kaum noch Luft.
    Finsternis.
    Vorsichtig streckte er die Hand durch die Stückpforte.
    Etwas bewegte sich. Pazel entließ eine Wolke von Blasen aus seinem Mund. Ein Wesen mit ledriger Haut schoss in die Tiefen des zerstörten Batteriedecks davon.
    Licht.
    Ob Fisch oder Hai, was auch immer, es war fort – und Pazels Luftvorrat war verbraucht. Hektisch tastete er nach seinem Tau. Er hatte zu lange gewartet, jetzt konnte er es nicht mehr nach oben schaffen. Er zog dreimal.
    Von seiner Rettung durch die Volpek wusste er später nur noch, dass ihm die Tangwedel gegen jeden einzelnen Körperteil geschlagen hatten. Als er die Kugel erreichte, griffen Hände nach ihm und rissen ihm die Blätter büschelweise vom Gesicht.
    »SPUCK DAS ZEUG AUS!«
    Er gehorchte. Die Männer setzten ihn auf eine Bank dicht über dem Wasser. Würgekrämpfe schüttelten ihn. Doch als sie in seinen leeren Sack schauten, runzelten sie die Stirn.
    »BEIM NÄCHSTEN MAL FÄNGST DU SCHON IM SPRUNG ZU SCHWIMMEN AN.«
    Beim nächsten Mal? , dachte Pazel. Dafür wäre er frühestens in einer Woche bereit. Er lag wie betäubt auf seiner Bank. Marila saß ihm gegenüber und beobachtete ihn mit ihren unergründlichen Augen. Mintu lag neben ihr. Er sah elend aus. Wieder brach die Tang-Finsternis über sie herein, und als sie vorüber war, zerrten die Männer ein zuckendes Knäuel ins Innere. Neeps. Er spuckte dem einen Volpek einen Mund voll Wasser ins Gesicht.
    »Wesen!«, stieß er hervor. »Seltsame Wesen … Murten!«
    »ES GIBT KEINE MURTEN IN DER STILLEN SEE!«
    Weitere Taucher wurden heraufgeholt. Einer hatte eine ganze Seekiste an sein Tau gebunden. Ein anderer hielt eine gusseiserne Bratpfanne in die Höhe. Ein Volpek warf sie wütend ins Wasser zurück. Zwei von den Jungen kehrten nicht zurück. Die Männer holten ihre Taue ein, doch an Haken und Ring hingen nur Tangwedel. Nichts war zerrissen. Es sah aus, als hätten sie einfach losgelassen.
    Beim zweiten Tauchgang behielten Pazel und Neeps einander im Blick. Sie kamen auch viel weiter, denn sie schwammen vom Augenblick des Sprungs an auf das Wrack zu. Pazel sah jetzt, dass durch den Tangwald Pfade führten: scharf

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