Windkämpfer
verstanden. Tascha wies auf das Messer. »Ich gebe das.«
»Ja«, sagte der Anführer der Mzithrini. »Tu das.«
»Und du … du … lass die Finger von meinen Sachen.«
Es war der alte Satz aus dem Polylex. Die Mzithrini sahen sich an. Dann rückten sie einen weiteren Schritt vor.
»Wir fassen dich nicht an, Mädchen«, sagte der Anführer. »Keine Angst. Wir sind Freunde.«
Der Mann, den sie festhielt, lachte tatsächlich. Sie musste das Messer noch fester andrücken, um die anderen wieder zum Stehen zu bringen. Sie hatten sich rings um sie verteilt. Nun musste sie sich hin und her drehen, um sie alle im Blick zu behalten.
Plötzlich ließ der Verletzte die Hand von Taschas Arm rutschen. Er stieß ein leises Gurgeln aus, dann erschlaffte sein Körper. Tascha schrie auf. Sein Kopf fiel gegen ihr Handgelenk.
»Oh nein! « Tascha schüttelte ihn entsetzt. Sie hatte noch nie einen Menschen getötet, das war auch nie ihre Absicht …
Dann schoss er unter ihr in die Höhe. Biss sie in den Arm. Schlug ihr das Messer aus der Hand. Die anderen Mzithrini stürmten mit Gebrüll auf sie zu. Ihr Anführer hob sein Breitschwert, schwang es über ihrem Kopf …
… und fiel tot zu Boden. Seine Brust war förmlich mit Pfeilen gespickt. Der Verletzte sank neben ihm nieder, ein Pfeil hatte ihm die Kehle durchbohrt.
Tascha sprang auf. Hinter ihr stürmten sechs oder acht hochgewachsene Männer in grauer Kleidung mit erhobenen Schwertern die Düne herab und prallten mit dem Ruf ›Syr-ahdi Salabreác‹ mit den verdutzten Mzithrini zusammen. Tascha hüpfte das Herz vor Freude, sie kannte diese Worte. Ein Gebet, das tholjassanische Krieger vor einer Begegnung mit dem Feind sprachen.
Die Mzithrini baten nicht um Gnade. Ihre schweren Klingen blitzten in der Sonne, rasten erschreckend schnell herab und trafen klirrend auf die leichteren tholjassanischen Schwerter. Aber sie standen auf verlorenem Posten. Zwei waren durch Pfeile gefallen, zwei weitere starben in den ersten Augenblicken des Schwertkampfs. Die beiden Letzten rannten aufeinander zu, stellten sich Rücken an Rücken und ließen mit trotzigem Fauchen ihre Schwerter tanzen.
»Genug!«, schrie ein Tholjassaner. »Maro dinitre! Hört auf zu kämpfen, und ihr bleibt am Leben!«
Die Tholjassaner wollten ihren Feinden Bedenkzeit geben, doch die Mzithrini griffen abermals an. Sekunden später lagen sie beide tot zu Füßen der Retter. Doch Tascha stand wie betäubt, als hätte sie einen Schlag auf den Kopf bekommen, und sah den Mann, der eben gesprochen hatte, fassungslos an. Diese Stimme!
Er wischte sich das blutige Schwert an den Kniehosen ab. Dann wandte er sich ihr zu – und jetzt, im hellen Tageslicht, weit deutlicher als in der Nacht zuvor, sah Tascha ein Gespenst.
* * *
Pazel zuckte zusammen. Der Eisenkäfig war vom Salz zerfressen, die rostigen Stangen scheuerten ihm die Haut auf.
Sie hatten die Brandung hinter sich gelassen und das Frachtschiff fast erreicht. Wie ein großer Teekessel lag es vor ihnen. Sein Kapitän rannte hin und her und beobachtete mit dem Fernrohr den Trubel um die Barkasse und die Geschütze auf der Brigg der Volpek. Für die Gefangenen, die in ihrem Eisenkäfig über die Flaschenzüge zwischen seinen Masten heranpolterten, hatte er kaum einen Blick übrig.
»Der ›Kunde‹ hat das Ufer erreicht!«, verkündete ein Ausguck in der Bramsaling. »Und da ist auch Druffle, der alte Faulpelz! Sieht so aus, als wollten sie zu uns.«
»Den Strand sehe ich selbst!«, rief der Kapitän. »Behalte du das tiefe Wasser im Auge! Wenn wir überrascht werden, wirst du es mir büßen, das schwöre ich bei den neun feurigen Höllen!«
Der Käfig mit den Gefangenen hatte das Frachtschiff passiert. Niemand hatte ein Wort zu ihnen gesagt.
Neeps schüttelte den Kopf. »Druffle ist wieder da. Glaubst du, er hat uns sehr vermisst?«
»Das bezweifle ich«, sagte Pazel. Doch bei sich dachte er: Von wem überrascht?
Es war ein strahlend schöner Tag – der Himmel war klar bis auf die seltsamen Nebelfetzen, die wie aus eigenem Willen um die Wracks vor der Küste herumstrichen. Plötzlich nahm der Käfig Fahrt auf. Pazel suchte festen Stand, dann drehte er sich nach der Barkasse um. Die Volpek stemmten sich, zwei Männer an jeder Stange, gegen das Gangspill und holten die Kette ein. Die Bathysphäre kam wieder an die Oberfläche. Was für eine Schinderei, dachte er.
»Bitte hierher sehen, meine Damen und Herren.«
Zehn Köpfe hoben
Weitere Kostenlose Bücher