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Windkämpfer

Windkämpfer

Titel: Windkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Redick
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sich Neuankömmlinge, irgendwelche Soldaten, sie liefen geschäftig herum, lachten, kreischten. Nun deuteten sie auf ihn, stellten Fragen. Er rannte weiter. Der Frachtraum, dachte er. Versteck dich im Frachtraum. Vielleicht erwartete ihn der Botschafter noch nicht gleich. Vielleicht würde ihn niemand vermissen.
    Er erreichte die Leitertreppe No. I und sprang die Stufen hinab. Doch plötzlich erschien Fiffengurt aus dem Zwischendeck und verstellte ihm den Weg. Er lächelte zu Pazel hinauf: »Bachafuagaaak!«
    Pazel sah ihn hilflos an und kletterte zurück nach oben, worauf Fiffengurt nur noch lauter kreischte. Pazel sprang auf das nächste Deck, das obere Batteriedeck, und flüchtete an der langen Reihe von Kanonen entlang, überall waren Menschen, die ihm übelwollten, und es war entsetzlich laut. So schlimm war es noch nie, dachte er. Und dann stand Jervik vor ihm.
    Beide Jungen erstarrten. Jervik riss die Augen auf und umfasste den Deckmopp mit beiden Händen, als könnte er ihm davonfliegen. Pazel kam plötzlich auf die Idee, es mit Freundlichkeit zu probieren – sie hatten schließlich manchmal auch auf der Eniel zusammenarbeiten müssen –, aber wie sollte er das anstellen? Sprechen konnte er nicht, also lächelte er zaghaft und winkte mit der Hand.
    Jervik warf den Mopp nach ihm wie einen Speer.
    Mit Freundlichkeit war es also nichts. Pazel wich dem Mopp aus und wollte auch Jervik ausweichen, aber der große Teerjunge erwischte ihn an der Schulter.
    »Gwamothpathkuandlemof! «
    Jervik riss an Pazels neuem Mantel; die Messingknöpfe sprangen ab. Schlag mich doch, du Schwachkopf!, dachte Pazel. Wenn er das täte, müsste ihn Fiffengurt nämlich des Schiffs verweisen. Aber Jervik gab nur einen Strom von sinnlosen Geräuschen von sich und packte noch fester zu. Und Pazel wurde klar, dass Fiffengurt jeden Moment auftauchen und sie beide auf frischer Tat ertappen konnte. Das darf nicht geschehen. Dann sperren sie mich ein.
    Er drehte sich zu Jervik um.
    »Lass los!«, schrie er und fuhr mit den Händen wild durch die Luft. »Ich bin Muketsch, der Schlammkrabbenzauberer von Ormael, und wenn du mir nicht gehorchst, verwandle ich deine Knochen in Pudding!«
    Natürlich kam nur Gänsegeschnatter aus seinem Mund. Sprechen war während eines Hirnkrampfs gewöhnlich die denkbar schlechteste Taktik, aber heute war es seine Rettung. Jervik war rettungslos abergläubisch. Er hielt inne, und seine Augen wurden noch größer. Pazel deutete auf sein verstümmeltes Ohr und lachte keckernd. »Wenn ich mit dir fertig bin, ist das noch das Beste an dir! Und jetzt HAU AB!«
    Jervik gab ihn erschrocken frei, stolperte rückwärts und glitt auf einem von Pazels abgerissenen Mantelknöpfen aus. Pazel rannte um sein Leben.
    Kreischen, Johlen, nasser Boden. Er stieß mit einem Matrosen nach dem anderen zusammen. Erwachsene Männer sprangen beiseite, als fürchteten sie, von ihm gebissen zu werden. »Das wird böse enden«, dachte er.
    Dann legte sich eine Hand um seinen Arm, die viel stärker war als Jerviks Hand, und riss ihn herum. Er schaute kurz in ein Männergesicht – graue Schläfen, wache Augen mit nadelspitzen Pupillen –, dann wurde er kurzerhand durch eine Tür geschoben, und eine warme Wolke aus Tabaksrauch, Parfümduft und Talkum umfing ihn.
    An alles Folgende erinnerte er sich später nur verschwommen. Er sah das Gesicht des Botschafters in einem Toilettenspiegel, zur Hälfte rasiert, mit offenem Mund. Eine schöne Frau kam mit ausgebreiteten Armen hereingeeilt und kreischte wie ein Dämon. Von irgendwoher tauchte das goldhaarige Mädchen aus der Kutsche auf und betrachtete ihn erstaunt, aber ohne Angst.
    Jemand setzte ihm eine Flasche an die Lippen und drückte ihm den Kopf nach hinten, und dann wusste er nichts mehr.

16
     
    V ON NÜTZLICHEN T OTEN
     
     
    12. Vaqrin 941
     
    Nur die Besatzung zweier von Schlachten gezeichneter Kriegsschiffe, die weiter draußen ankerten als der Rest der Kaiserlichen Flotte, durfte miterleben, wie die Chathrand aus der Bucht von Etherhorde segelte.
    An ihren Masten gingen die Flaggen hoch: Der grüne Stern grüßte herüber, ein Signal, das einfach nur ›sichere Reise und baldige Rückkehr‹ wünschte.
    Was beides ein Wunder wäre, dachte Sandor Ott und verschloss das Bullauge seiner Kajüte. Wahrscheinlicher war ein gewaltiges Blutbad. Das er und diese Giftschlange von einem Kapitän vielleicht überleben würden. Rose strömte die Gerissenheit aus allen Poren. Er hatte seine

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