Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Windkämpfer

Windkämpfer

Titel: Windkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Redick
Vom Netzwerk:
Sir.«
    »Siehst du, was mein Kriechling macht? Und weißt du, warum ich ihn behalte?«
    (»Dein Kriechling heißt Steldak, du fette Eiterpustel«, murmelte der Ixchel.)
    Pazel musste sich zusammennehmen, um nicht zum Käfig hinüberzusehen. »Nein, Sir, das weiß ich nicht.«
    »Gift«, sagte Rose. »Ich habe nämlich Feinde, mein Junge, viele Feinde. Der Kriechling kostet alles, was ich esse. Das Herz eines Kriechlings schlägt sechsmal so schnell wie das Herz eines Menschen, also pumpt es sein Blut sechsmal so schnell durch seinen Körper. Und damit auch jedes Gift, verstehst du? Was mich in zwölf Minuten töten würde, tötet ihn in zweien.«
    (»Dein Herz hat doch schon längst zu schlagen aufgehört« , sagte der Ixchel.)
    »Nun habe ich leider keinen zweiten Kriechling für Seine Exzellenz«, sagte Rose. »Aber ich habe Teerjungen. Du hast es dem Alten angetan. Und deshalb bekommst du jetzt neue Befehle von mir.
    Er speist gewöhnlich an der Stirnseite des Tisches in der Ersten Klasse oder hier in meinen Räumen bei mir. Aber manche Mahlzeiten nimmt er auch allein in seinen Gemächern ein. Diese Mahlzeiten wirst du ihm bringen, Pathkendle. Und zuvor wirst du von jedem Gericht kosten. In der Kombüse, in Gegenwart unseres Kochs. Ist das klar?«
    »Jawohl, Sir.«
    »Man wird zu jedem dieser Anlässe nach dir schicken. Wenn seine Tochter oder seine Gemahlin zu speisen wünschen, wirst du genauso verfahren. Wir können nicht zulassen, dass er einem Anschlag zum Opfer fällt, Pathkendle. Was dich angeht, sind wir uns doch wohl einig, dass du ohnehin nur noch auf Abruf lebst?«
    Er warf einen wütenden Blick auf den Käfig. »Koste die Mandel, verdammte Kreatur! Ich habe Hunger!«
    Der Ixchel blickte auf und fletschte wie unter Schmerzen die Zähne. Doch dann kamen fremdartige, leise Laute aus seiner Kehle – Laute, die auch normale Menschen hören konnten, und Pazel begriff, was Diadrelu gemeint hatte, als sie von ›Beugen‹ sprach.
    »Kapitän«, sagte der alte Mann. »Ich bitte darauf hinweisen zu dürfen, dass meine Zähne schwach geworden sind. Ich kann diese Nuss nicht aufbeißen, Sir. Wenn Sie vielleicht so freundlich wären, sie mit einem Hammer zu knacken …«
    Der Kapitän knurrte missmutig, erhob sich aber und schlurfte durch den Raum. Zum zweiten Mal an diesem Tag erkannte Pazel, dass er an einen Punkt gekommen war, an dem er es sein Leben lang bereuen würde, wenn er nicht sofort ein Wagnis einginge – und wieder gehorchte er seiner inneren Stimme. Er beugte sich dicht über den Käfig und flüsterte: »Ich werde dir helfen, Steldak.«
    Rose zuckte zusammen.
    Pazel hatte gerade noch Zeit, den Kopf zu heben, bevor der Kapitän sich umdrehte und zum Schreibtisch zurückstapfte. Ein böser Verdacht brannte in seinen Augen. Er ergriff Pazels Hand und drückte sie so heftig, dass es schmerzte. Dann brachte er sein Gesicht ganz dicht an Pazels Gesicht heran. Sein Atem stank nach Knoblauch und Tabak.
    »Du kannst hören, wenn die Geister sprechen?«
    »N-n-nein, Sir!«
    »Ich weiß es. Ich habe dein Gesicht gesehen. Nicht viele von uns können das, Junge. Eben ist ein Geist durch diesen Raum gegangen und hat mit meinem Kriechling in dessen Sprache geredet. Du hast es auch gehört, nicht wahr? Sag die Wahrheit!«
    »Kapitän, ich kann … Aua!«
    Rose drückte noch fester zu. Sein irrer Blick schweifte über die Wände der Kabine.
    »Nimm dich in Acht«, zischte er leise. »Die Welt unter unseren Füßen hat sich verändert, wenn ganz gewöhnlichen Menschen wie mir die Ohren aufgehen und sie die Stimmen im Wind vernehmen. Die Tiere vermochten das immer schon, später dann die Magier, die Zauberer und die Missgeburten. Und nun, dann und wann, ein normaler Mensch wie Nilus Rose. Dieser alte, unsinkbare Kahn hier – er wimmelt nur so von Geistern. Im Sturm hängen sie in den Bramen, lassen sich auf das Deck herab und kriechen uns in die Ohren. Du hörst sie auch! Oder willst du es leugnen?«
    Rose war im Wahn – doch sein Griff war so hart, dass er Pazel die Hand zu brechen drohte. Was sollte er sagen? Wenn er dem Kapitän die gewünschte Antwort gab, würde der ihn niemals mehr in Ruhe lassen und immer neue Berichte über die ›Geister‹ verlangen, die Pazel vermeintlich belauschte. Und wie würden sich die Ixchel dann verhalten, die als blinde Passagiere mitfuhren und von denen ihn die Hälfte ohnehin schon für einen Spion hielt?
    »Kapitän!«
    Die Stimme kam von dem Ixchel. Er verneigte sich so

Weitere Kostenlose Bücher