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Windkämpfer

Windkämpfer

Titel: Windkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Redick
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trägst du besser mit den anderen Teerjungen aus; die sind viel weniger gefährlich. Komm, steh auf, wir haben einige Entscheidungen zu fällen. Willst du uns nicht bekanntmachen, Tascha?«
    »Ich heirate niemanden!«
    »Tatsächlich«, sagte Hercól, als hätte sie ihn nicht eben noch aus voller Kehle angeschrien, »habe ich schon von dir gehört, Pathkendle. Doktor Chadfallow sagt, du wärst zum Gelehrten geboren. Er spricht seit Jahren von dir, aber ich hätte nie gedacht, dass er so weit gehen würde, uns alle auf der Chathrand zusammenzuführen.«
    »Er ist ein Freund von Doktor Chadfallow?«, fragte Tascha ungläubig.
    »Nein«, sagte Pazel. »Jetzt nicht mehr.«
    »Du solltest Ignus Chadfallow nicht zur Last legen, welchem Volk er angehört«, mahnte Hercól. »Wahre Freundschaft wird nicht leichtfertig geschenkt und sollte auch nicht leichtfertig weggeworfen werden.«
    »Sagen Sie das ihm«, schmollte Pazel.
    »Du hast eine scharfe Zunge«, sagte Hercól, »aber ich weiß ein wenig Bescheid über die Gründe dafür. Ich habe dich nicht nur vor Tascha, sondern auch vor deinen Schiffskameraden gerettet. Nun tu mir einen Gefallen und erkläre mir, was dir eigentlich genau fehlt.«
    Pazel blickte in die gütigen, aber durchdringend scharfen grauen Augen. Wenn seine Ausflüchte schon Tascha nicht hatten täuschen können, so hatte er bei diesem Mann erst recht keine Hoffnung. Und so brach er zum zweiten Mal in zehn Tagen einen Schwur, den er sich selbst vor langer Zeit gegeben hatte, und erzählte einem Fremden von seiner Gabe.
    »Man könnte eigentlich auch von einem Fluch sprechen«, fügte er hinzu. »Ich dachte immer – nach den Geschichten in den Büchern und denen, die meine Mutter erzählte –, dass einen die Magie träfe wie ein Donnerschlag. Tatsächlich ist es eher wie bei einer Erkältung. Sie wissen doch, wie es sich anfühlt, wenn man Fieber bekommt – so als marschiere ein Heer von Feinden durch die Ohren in den Körper und brenne dort ein Zimmer nach dem anderen aus? Nun, in meinem Fall ist das Heer zu Beginn noch freundlich. Wenn ich Augronga sprechen muss, liefert es mir Augronga, und wenn ich das Wappenschild der Chathrand sehe, sagt es mir, was ich lese. Und ich vergesse nie, was ich einmal gelernt habe, auch nach den Hirnkrämpfen nicht.«
    »Wie viele Sprachen hast du auf diese Weise gelernt?«, fragte Tascha immer noch schmollend.
    »Zwanzig.«
    Sie lächelte skeptisch – hielt sie das etwa für einen Witz? –, dann fragte sie ihn auf Opaltik, einer Sprache, mit der sich die Lorg-Töchter neben vielen anderen Dingen beschäftigen mussten, um die Jahre vor der Heirat totzuschlagen, nach seinem Alter. Als Pazel prompt antwortete, steigerte sie die Schwierigkeit und versuchte es mit einem Kinderreim von den Ulluprid-Inseln, den Syrarys ihr vor Jahren beigebracht hatte. Noch ehe sie zu Ende war, merkte sie, dass er alles verstand, denn er wurde noch unruhiger und verlegener. Das Gedicht hieß: Mein Schatz, der Matrose.
    »Ich wünschte, wir könnten ihn Ramachni vorführen«, seufzte Tascha und warf einen Blick auf die Uhr auf ihrer Kommode. Ihre Augen weiteten sich. »Hercól! Sie ist offen!«
    Auch Hercól hatte nicht auf das Zifferblatt geachtet. »Dann ist er an Bord! Hast du ihn gesehen, Pathkendle?«
    »Er ist ein Nerz«, fügte Tascha hilfsbereit hinzu.
    Pazel fuhr zusammen. »Dann war es doch kein Traum. Heißt das, er ist ein erwachtes Tier? Wirklich und wahrhaftig? Und er gehört Ihnen?«
    »Ein erwachtes Tier besitzt man nicht«, sagte Hercól streng, »es sei denn, man wäre Sklavenhalter.«
    »Er ist kein echter Nerz«, sagte Tascha. »In seiner eigenen Welt ist er ein kahlköpfiger alter Mann.«
    »Ramachni ist sehr viel mehr als das«, sagte Hercól, und jetzt lächelte er ein wenig.
    »Natürlich«, sagte Tascha. »Er ist ein großer Magier, und er kommt seit Jahren durch meine Uhr gekrochen, um mich zu besuchen.«
    Pazel schaute von dem Mädchen zu dem Mann und zu der Uhr und wieder zurück.
    »Sieh ruhig nach«, sagte Hercól. »Aber fass nichts an und mach keinen Lärm.«
    Vorsichtig griff Tascha nach dem Mondgesicht der Uhr und zog es weit auf. Dahinter befand sich ein Tunnel.
    Jedenfalls war ›Tunnel‹ das Wort, das einem in den Sinn kam, auch wenn ›Röhre‹ passender gewesen wäre. Pazel spähte hinein, blinzelte, sah noch einmal hin und stellte fest, dass er den Blick nicht mehr abwenden konnte. Er, der die Magie im Blut hatte, bekam sie heute zum ersten Mal zu

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