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Windkämpfer

Windkämpfer

Titel: Windkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Redick
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auf ihren Schreibtischen befestigen ließen. Das runde Zifferblatt war vorgewölbt und bemalt wie ein Mond. Noch seltsamer war, dass es – samt Zeigern, Ziffern und allem – an einer Seite mit einer Angel versehen war und einen Spaltbreit offen stand. Dahinter führte ein runder, dunkler Gang ins Innere der Uhr, ein Gang, der Pazel kalt und irgendwie fremdartig anmutete.
    Das Tier schob das Zifferblatt fast ganz zu, dann sah es sich nach Pazel um.
    »Du wirst das nicht anfassen, nicht wahr?«
    »F-fiele mir im Traum nicht ein.«
    »Und wenn ich dich um einen Gefallen bäte, wenn du mir mit deiner Gabe helfen solltest, eine große und gefährliche Tat zu vollbringen – genauer gesagt, einen Krieg zu verhindern –, was würdest du mir antworten?«
    »Was?«
    »Wir müssen uns noch einmal ausführlicher unterhalten, Mr. Pathkendle. Leben Sie wohl.«
     
    *     *     *
     
    Pazel schüttelte sich. Er lag immer noch am selben Fleck auf demselben Seidenkissen. Das Tierchen war verschwunden; vor den Bullaugen dämmerte es. Und genau über ihm ragten die bloßen Füße eines Mädchens über das Ende der Matratze.
    Er drehte den Kopf zur Seite und sah sich einem blauen Hund von erschreckenden Ausmaßen gegenüber, der den Kopf auf die Pfoten gelegt hatte und leise vor sich hin sabberte. Tu irgendwas, flehten seine Augen. Damit ich dich fressen kann.
    Alles in allem waren die Füße der erfreulichere Anblick. Und nach einem weiteren Moment des Staunens begriff Pazel auch, wem sie gehörten.
    »Lady Tascha?«, flüsterte er.
    Die Füße wurden zurückgezogen, das Bett knarrte, und das Gesicht der Tochter des Botschafters erschien. Ihr goldenes Haar hing so weit herab, dass es fast seine Nase berührte.
    »Du kannst ja sprechen!«, rief Tascha. »Hercól! Er kann sprechen.«
    Sie sprang aus dem Bett und schob den Hund beiseite. Wie damals, als sie an Bord der Chathrand gegangen war, trug sie Männerhosen und ein weites Hemd. Pazel war von neuem überrascht, wie hübsch sie war und wie sauber. Er selbst war unter seinem neuen Mantel und seiner Mütze immer noch ein schmutziger Teerjunge. Bisher hatte ihn das noch nie sonderlich gestört.
    »Den Göttern sei Dank!«, sagte sie. »Du hast so grässliche Laute von dir gegeben! Was ist denn eigentlich los mit dir?«
    Pazel wurde rot. »Es geht mir wieder gut, gnädiges Fräulein«, sagte er, richtete sich etwas unsicher auf und versuchte, seinen Mantel zu schließen, doch dann fielen ihm die fehlenden Knöpfe ein, und er kreuzte die Arme vor der Brust.
    Als er sich zum Stehen hochkämpfte, wäre er fast gestolpert. Er hielt sich mit einer Hand an ihrem Bett fest, zog sie dann aber so hastig zurück, als wäre das Bett zerbrechlich. Tascha fasste ihn am Arm. Verblüfft spürte er ihren festen Griff.
    Nicht anstarren, ermahnte er sich. Ihre Haut war so hell. Unter dem Männerhemd trug sie ein Halsband: Meerestiere aus massivem Silber, eine unglaublich feine Arbeit. Unwillkürlich ging ihm ein Gedanke durch den Kopf – mit dieser Kette könnte er seine Pfandschuld drei- oder viermal bezahlen.
    »Es war sehr freundlich von Ihnen, mir Unterschlupf zu gewähren«, sagte er.
    Sie standen einander Auge in Auge gegenüber, und für einen Moment schien sie ihm genauso unsicher und verwirrt zu sein wie er selbst. Dann lachte sie laut auf.
    »Mir ist noch kein Diener begegnet, der so gesprochen hätte wie du«, sagte sie. »Du hast nicht einmal einen Akzent. Meine Vettern aus dem Maj-Bezirk hören sich genauso an. Ich brauchte nur die Augen zuzumachen, dann könntest du dich sogar für einen Arqualier ausgeben!«
    »Das könnte ich nicht«, widersprach Pazel sofort und befreite seinen Arm. »Selbst wenn ich wollte. Und ich will es nicht, Lady Tascha.«
    »Sei nicht so empfindlich«, schalt sie. »Ich habe ja nicht gesagt, du sollst dich für einen Arqualier ausgeben. Und hör auf mit diesem Unsinn von wegen Lady und gnädiges Fräulein. Ich bin genauso alt wie du.«
    Pazel sah sie nur an. Er war verärgert. Als ob es dabei um das Alter ginge! Sie waren nicht gleichgestellt. Selbst wenn sie ein Kleinkind und er ein Mann von sechzig Jahren wäre, müsste er sie mit ›Lady‹ ansprechen.
    »Hercól meint, du stehst unter einem Fluch«, sagte Tascha. »Hat er Recht? Wie oft kommst du in diesen Zustand?«
    »Zwei- oder dreimal im Jahr, gnädiges Fräulein.«
    »Wie schrecklich! Du musst sehr geschickt sein, sonst hättest du nicht so lange überlebt. Im Lorg würde man ein Mädchen mit

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