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Windkämpfer

Windkämpfer

Titel: Windkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Redick
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›Zornanfällen und Verfolgungswahn‹. Und vor langer Zeit hätte es ganze Flotten von Schiffen wie der Chathrand gegeben, und sie hätten tatsächlich die Herrschersee befahren und fremde Länder besucht, die heute keiner mehr kennt. Drei dieser Schiffe wurden im Weltensturm zerstört, eines davon durch einen großen Wasserwirbel, den sogenannten Nelluroq-Strudel.«
    »Ja, der Strudel …«
    »Weißt du auch, dass mir davon oder etwas Ähnlichem immer wieder träumt? Papa redete immer vom Krieg und wie eine Zerstörung zur nächsten führt, und seither träume ich von einem Wasserwirbel, in dem ein Schiff gefangen ist, es dreht sich im Kreis wie ein Stück Holz, und wird weiter und weiter in die Tiefe gezogen …«
    »Gnädiges Fräulein …«
    »Ich schweife ab, ich weiß. Ich will nur sagen, der Strudel hat im Jahr siebenhundertzweiundfünfzig die Hengst verschlungen, die Urstorch und die Bali Adro kehrten von ihren Fahrten über die Herrschersee nie zurück, und die Maisa, das letzte Große Schiff außer diesem hier, wurde vor fünfzig Jahren von den Mzithrini versenkt. Sie war das Schwesterschiff der Chathrand: gleiche Größe, gleiche Besegelung. Maisa war allerdings nicht der ursprüngliche Name. Sie wurde erst einige Jahre, bevor sie sank, so getauft, zu Ehren einer Kaiserin, die Maisa hieß. In meinem Polylex steht, sie sei die Stiefmutter unseres Kaisers gewesen.«
    »Ja, das war mir bekannt …«
    »Tatsächlich? Seltsam! In meinen Schulbüchern stand kein Wort von einer Kaiserin Maisa. Aber weißt du, was im Zusammenhang mit dem Großen Schiff das Merkwürdigste ist? Die Yeligs – die Eigner der Chathrand – sind ganz allein daran schuld, dass wir keine solchen Schiffe mehr bauen können. Sie fingen an, Schiffsbauer hinrichten zu lassen, damit sie ihre Geheimnisse nicht an andere Reederfamilien verraten konnten. Vermutlich war es nicht ihre Absicht, sie alle zu töten.«
    »Gnädiges Fräulein!«, unterbrach Pazel endlich ihren Redeschwall. »Lady Syrarys weiß, dass ich in Ihrer Kabine bin!«
    »Mach dir deshalb nicht zu viele Sorgen«, beschwichtigte ihn Tascha. »Mit Syrarys werde ich fertig. Ich habe sie gewarnt, ich würde mir das Haar abschneiden und bei meiner Hochzeit Safranwurzelsaft spucken, wenn sie dich nicht in Ruhe ließe. Wobei es natürlich keine Hochzeit geben wird – aber dass ich das gesagt habe, behältst du vielleicht besser für dich, überhaupt bezweifle ich, dass sie dich nach all dem Keppery-Gin, den du geschluckt hast, hätte aufwecken können. Weißt du eigentlich, was auf diesem Schiff herumkriecht?«
    »L-L-Lady Tascha?«
    »Ratten!«, lachte Tascha. »Eine habe ich auf dem unteren Batteriedeck gesehen. Und es ist nicht zu fassen, aber vergangene Nacht habe ich eine genau hier unter den Dielen gehört. Es muss eine sehr schlaue Ratte gewesen sein, denn als ich meine Hunde zum Schweigen gebracht hatte, rührte sie sich nicht mehr. Hast du Angst vor Ratten?«
    »Nein.«
    »Aber ihr Teerjungen werdet doch von ihnen gebissen?«
    »Ja.«
    »Was ist eigentlich mit deinen Eltern? Sind sie tot?«
    Dass Pazel um eine Antwort verlegen war, kam äußerst selten vor und war ihm sehr peinlich. Er war in seinem Leben noch nie mit einem Mädchen allein gewesen, außer mit seiner Schwester, und er kannte kaum jemanden, der so lange und so munter schwatzen konnte wie Tascha. Seine eigene Schüchternheit in ihrer Gegenwart brachte ihn zur Verzweiflung. Sie war schön und eine wichtige Persönlichkeit; aber war sie deshalb auch klüger als er? Er schluckte. Dann faltete er wie ein Schuljunge die Hände hinter dem Rücken.
    »Ihre Fragen, Lady Tascha«, sagte er, »sind indiskret.«
    Die gefalteten Hände erwiesen sich als Fehler: Er hätte sich damit schützen können. Stattdessen lag er mit einem Mal wieder flach auf dem Rücken, Tascha saß rittlings auf ihm, schlug ihn auf die Wangen und überschüttete ihn mit einem Strom von Beschimpfungen: »Indiskret! Kommt hereingerannt, kreischt wie ein … mit Dreck spielen, zur Hölle … ich werde dir schon zeigen, wer hier lernt, sich wie eine Ehefrau zu benehmen!«
    Dieses Bild bot sich Hercól, als er eintrat: zwei junge Leute, rot im Gesicht und ineinanderverkrallt, während Jorl die Decke anheulte und Suzyt sich alle Mühe gab, Pazels rechten Fuß zu verschlucken. Der große Mann trennte die beiden und brachte Suzyt dazu, die Kiefer zu öffnen. Dann lachte er: »Wie schön, dass es dir wieder besser geht, Bursche! Aber solche Ringkämpfe

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