Winslow, Don
niedergeschossen,
Studenten ebenfalls. Ein amerikanischer Hotelier wurde enthauptet, eine
Professorin in der Universität erstochen, eine amerikanische Nonne
vergewaltigt, ermordet und zu den Leichen ihrer Mitschwestern geworfen.
Während all das geschah, sorgten amerikanische Militärs für Ausbildung, Beratung
und Ausrüstung, darunter Hubschrauber, mit denen die Mörder zu ihren Einsätzen
geflogen wurden. Gegen Ende der achtziger Jahre war US-Präsident George Bush
dann so angewidert von dem Gemetzel, dass er die finanzielle und militärische
Unterstützung für Guatemala stoppte.
Überall in Lateinamerika war es das gleiche - ein langer Krieg Arm gegen
Reich, rechts gegen links, mit den Liberalen in der Mitte wie das Reh zwischen
den zwei Scheinwerfern.
Und Red Cloud war immer dabei.
John Hobbs überblickte das Geschehen.
Sal Scachi besorgte
das Tagesgeschäft.
Hielt Verbindung zu Armeeoffizieren, die ihre Ausbildung an der School of
the Americas in Fort Benning, Georgia, gemacht hatten. Sorgte für Schulung,
technische Beratung, Ausrüstung, Information. Stellte den lateinamerikanischen
Armeen und Milizen Spezialisten zur Verfügung.
Einer dieser Spezialisten war Sean
Callan.
Der Mann ist ein Haufen Scheiße, dachte Scachi, als er sich Callan ansah - langes,
fettiges Haar, gelbliche Haut vom vielen Trinken. Nicht das, was man sich unter
einem Kämpfer vorstellt, aber der Schein trügt.
Mag er aussehen, wie er will, dachte Scachi, er ist eine Kapazität.
Solche Leute sind rar, also ...
»Ich hole dich
hier raus«, hat Scachi gesagt. »Gut.«
»Ich hab einen anderen Job für dich.« Und was für einen, denkt Callan jetzt.
Luis Carlos Galán, der Präsidentschaftskandidat der Liberalen Partei, in den Meinungsumfragen
weit vorn, flog im Sommer 89 aus dem Rennen. Bernardo Jaramillo Osa, Führer der UP, wurde erschossen, als er im Frühjahr darauf in Bogotá aus dem Flugzeug
stieg. Carlos Pizarro, Präsidentschaftskandidat von M -19, ein paar Wochen später ebenfalls.
Danach wurde Kolumbien zu heiß für Sean
Callan.
Nicht aber Guatemala, Honduras und El Salvador.
Scachi schob ihn herum wie einen Springer auf dem Schachbrett. Platzierte
ihn mal hier, mal da, benutzte ihn, um Figuren vom Brett zu schießen. Guadelupe Salcedo, Héctor Oqueli, Carlos Toledo - dann noch ein Dutzend weitere. Callan kriegt die
Namen nicht mehr zusammen. Er wusste nicht, wer hinter Red Cloud steckte, aber
er wusste genau, was der Name bedeutete - Blut, ein Blutdunst, der ihm das Hirn
vernebelte, bis er nichts mehr sah.
Dann versetzte
ihn Scachi nach Mexiko. »Was soll ich da?«, fragte Callan.
»Eine Weile chillen«, antwortete Scachi. »Ein bisschen als
Personenschützer aushelfen. Erinnerst du dich an die Barrera-Brüder?«
Und ob er sich erinnerte. Das war das Tauschgeschäft gewesen, Waffen
gegen Drogen, mit dem damals, 1985, alles angefangen hatte. Als Jimmy Peaches hinter dem Rücken von Big
Paulie Geschäfte machte und es zu dem seltsamen Ausflug nach San Diego kam.
Klar kann sich Callan an die
Barrera-Brüder erinnern. Was ist mit denen?
»Das sind Freunde von uns«, sagte Scachi.
Freunde von uns, dachte Callan. Was für eine seltsame
Wortwahl. Das sagen Mafiosi nur über Leute, die zur Mafia gehören. Und
mexikanische Drogendealer gehören ganz bestimmt nicht dazu, also was soll der
Scheiß?
»Das sind gute Leute«, erklärte Scachi. »Sie sind uns eine große Hilfe.«
Klar, dachte Callan, das macht sie
natürlich zu Engeln. Aber er ging nach Mexiko. Wohin sollte er auch sonst?
Jetzt sitzt er also in dieser Strandbar und feiert den Totentag.
Beschließt, sich noch ein paar Drinks zu genehmigen, weil hier sowieso
nichts passiert, weil heute Feiertag ist. Und passiert trotzdem was, denkt er,
schlage ich mich neuerdings besser, wenn ich ein bisschen blau bin und nicht
stocknüchtern.
Er kippt gerade seinen letzten Drink, da sieht er das große Aquarium
platzen. Ein gewaltiger Wasserschwall, und zwei Leute fallen um, auf diese
besondere Art, wie sie nur umfallen, wenn sie erschossen werden.
Callan sucht Deckung
hinter einem Barhocker und zieht die 22er.
Das müssen vierzig schwarz uniformierte Federales sein, die da durch den
Eingang drängen, ihre Mi6s aus der Hüfte abfeuern. Die Kugeln schlagen in die
falschen Felswände der Grotte ein, und es ist ein Glück, dass die Felsen falsch
sind, denkt Callan. Die Kugeln werden geschluckt, statt abzuprallen und Leute zu treffen.
Dann löst einer der Federales
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