Winslow, Don
Rückweg musste er sich das Geschimpfe von Fidel anhören. »Ich weiß,
was ich tue!«, schnauzte Fidel. »Ich war auf der Schule!«
»Ich
auch«, erwiderte ihm Callan. »Meine
Schule hieß Hell's Kitchen. Und weißt du was, Rambo? Die Kerle, die ich dort umgelegt
habe, die hatten normalerweise eine Kanone in der
Hand.«
Rambo
musste sich bei Scachi über ihn beschwert haben, denn ein paar Wochen später
tauchte Scachi auf der Ranch auf, um ein »Beratungsgespräch« mit Callan zu führen.
»Wo ist
dein Problem?« fragte ihn Scachi.
»Mein
Problem ist, dass ich hier simple Bauern erschießen muss«, sagte er. »Die waren
unbewaffnet, Sal!«
»Wir
drehen doch hier keinen Western«, antwortete Sal. »Einen >Ehrenkodex< gibt's hier nicht. Willst du warten, bis
sie mit der Kalaschnikow kommen? Willst du Opfer in Kauf nehmen? Das hier ist
ein verdammter Krieg, Sparky!«
»Ja, das
merke ich auch.«
»Du wirst doch bezahlt, oder?«, fragt ihn Scachi. Klar,
denkt Callan. Ich werde
bezahlt. Der Adler kräht zweimal im Monat, in Cash. »Und sie behandeln dich
gut, oder?«
Sie
behandeln uns wie Könige, muss Callan zugeben.
Jeden Abend Steak, wer Lust hat. Bier und Whisky umsonst, Kokain auch, wenn das
dein Ding ist. Ab und zu zieht sich Callan ein
bisschen was rein, aber ein ordentlicher Drink ist ihm lieber. Viele Tangueros
schnupfen das Zeug in Mengen, holen sich dann die Huren, die an den Wochenenden
angekarrt werden, und vögeln die ganze Nacht.
Ein
paarmal ist Callan auch zu
den Huren gegangen. Ein Mann hat Bedürfnisse, aber das war es auch schon, die
Befriedigung einer Notdurft. Das waren keine Spitzenkräfte wie im Weißen Haus,
sondern meist Indiofrauen von den Ölfeldern im Westen. Nicht mal richtige
Frauen, wenn er ehrlich sein sollte. Meist nur Mädchen in billigen Kleidern und
mit dicker Schminke.
Beim
ersten Mal fühlte er sich hinterher eher traurig als er leichtert. Er war in den Verschlag hinter der Kaserne gegangen, kahle
Sperrholzwände und ein Bett mit blanker Matratze. Sie versuchte, ihn
aufzugeilen, Sachen zu sagen, die er vielleicht hören wollte, bis es ihm
reichte und er sie bat, einfach die Klappe zu halten und zu ficken.
Hinterher lag er da und dachte an die blonde Frau in San Diego -
Nora hatte sie geheißen. Und schön war sie gewesen.
Aber das war in einem anderen Leben, in einer anderen Welt.
Nachdem ihn Scachi auf Vordermann gebracht hatte, berappelte sich Callan und nahm an
mehr Einsätzen teil. An einem Flussufer machten die Tangueros sechs weitere
unbewaffnete »Guerillas« kalt, dann noch eine Gruppe direkt auf dem Marktplatz
eines Ortes.
Fidel hatte ein Wort für die Einsätze.
Limpieza nannte er sie.
Säuberung.
Sie säuberten die Gegend von Guerillas, Kommunisten, Arbeiterführern,
Agitatoren - all dem Gesocks. Wie Callan mitkriegte, waren sie nicht die Einzigen, die das
machten. Es gab eine Menge andere Gruppen, andere Fincas, andere
Ausbildungslager, überall im Land. All diese Gruppen hatten Namen - Muerte a Revolucionarios, ALFA 13, Los Tinados. Innerhalb von
zwei Jahren ermordeten sie über dreitausend Linke. Die meisten Morde fanden in
entlegenen Dörfern statt, besonders in den Hochburgen des Medellin-Kartells im
Tal des Rio Magdalena, wo die männliche Bevölkerung ganzer Dörfer
zusammengetrieben und niedergemäht wurde. Oder mit Macheten in Stücke gehauen,
wenn ihnen die Munition zu schade war.
Außer den Kommunisten wurden noch eine Menge andere Leute weggesäubert -
Straßenkinder, Homosexuelle, Drogensüchtige, Trinker.
Eines Tages rückten die Tangueros aus, um Guerillas zu erledigen, die
zwischen zwei Operationsbasen unterwegs waren. Callan und die anderen
warteten am Straßenrand auf den Überlandbus, stoppten ihn und holten alle
raus, bis auf den Fahrer. Fidel ging die Passagiere durch, verglich ihre
Gesichter mit Fotos, die er in der Hand hielt, dann sonderte er fünf Männer
aus und ließ sie in den Graben führen.
Callan sah, wie die
Männer auf die Knie sanken und zu beten anfingen.
Sie kamen nicht viel weiter als »Nuestro Padre ...«. Ein Trupp
Tangueros durchsiebte sie mit Kugeln. Callan wandte sich ab - und sah, wie zwei seiner Kameraden
den Busfahrer ans Lenkrad ketteten.
»Was zum Teufel soll das?«, brüllte er.
Mit einem Schlauch saugten sie Benzin aus dem Tank in eine Plastikflasche
und schütteten sie über dem Fahrer aus, der um Gnade schrie, während sich Fidel
an die Passagiere wandte und ihnen erklärte: »So geht es Leuten, die
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