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Winslow, Don

Winslow, Don

Titel: Winslow, Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tage der Toten
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Sache
verpfuscht. Hoffen wir's, denkt er und nimmt sich vor, mit seinen Neffen Verbindung
aufzunehmen, sobald er diese leidige Angelegenheit hinter sich hat.
    »Mendez hat dir viel Geld geboten, was?«, fragt er. »Einen Neuanfang für
dich und deine ganze Familie, was?« Sie nickt.
    »Du hast kleine Schwestern, oder?«, fragt er weiter. »Dein Vater, dieser
Trunkenbold, missbraucht sie, oder? Mit dem Geld von Méndez kannst du sie
da rausholen, stimmt's?«
    »Ja.«
    »Ich verstehe.«
    Mit neuer
Hoffnung schaut sie ihn an.
    »Iss«, sagt er. »Es wird ein gnadenvoller Tod. Du wolltest doch nicht,
dass ich langsam und qualvoll sterbe, oder?«
    Sie sträubt sich, das Stück Brot in den Mund zu schieben. Ihre Hand
zittert, kleine Krümel kleben an ihren grellroten Lippen. Und nun fallen dicke
Tränen auf das Brot und lösen den Zuckerguss auf, mit dem sie das Brötchen so
sorgfältig dekoriert hat.
    »Iss.«
    Sie steckt den Happen in den Mund, aber sie bekommt ihn nicht herunter,
also gießt er Rotwein ein und drückt ihr das Glas in die Hand. Sie nippt an dem
Wein, das scheint zu helfen, und spült den Happen herunter. Dann beißt sie noch
einmal ab und spült auch den nächsten Happen herunter.
    Er beugt sich über den Tisch und streicht ihr mit dem Handrücken übers
Haar. »Ich weiß, ich weiß«, sagt er tröstend, während er ihr einen weiteren
Happen an den Mund hält. Sie öffnet den Mund, nimmt den Happen an, und nach dem
nächsten Schluck Wein setzt die Wirkung des Strychnins ein. Ihr Kopf ruckt
zurück, ihre Augen quellen hervor, aus dem weit geöffneten Mund dringt ihr
Todesröcheln.
    Ihr Leiche lässt er den Hunden zum Fraß vorwerfen.
     
    Parada zündet sich eine Zigarette an.
    Nimmt einen tiefen Zug, bevor er sich bückt, die Schuhe anzieht und sich
wundert, warum er mitten in der Nacht geweckt wird und was es mit der
»dringenden persönlichen Angelegenheit« auf sich hat, die nicht bis zum Morgen
warten kann. Er lässt dem Bildungsminister von seiner Haushälterin ausrichten,
er soll es sich in seinem Arbeitszimmer bequem machen, er wird gleich kommen.
    Parada kennt Cerro seit vielen
Jahren. Während Cerros Amtszeit als Gouverneur von Sinaloa war er Bischof in Culiacán und hat zwei
der legitimen Kinder Cerros getauft. Und hatte nicht Miguel Angel Barrera beide Male Pate
gestanden?, fragt sich Parada. Ach ja, Barrera war auch zu ihm gekommen, als es um das Seelenheil
und die Zukunft eines unehelichen Kindes von Cerro ging, denn der
Gouverneur hatte ein junges Mädchen vom Lande verführt. Na, wenigstens haben
sie sich für mich entschieden statt für die Abtreibung, und das spricht
unbedingt für den Mann.
    Aber, denkt er, während er den alten Pullover überzieht, wenn er wieder
ein junges Mädchen geschwängert hat, mache ich ihm die Hölle heiß. In seinem
Alter sollte man sich beherrschen und aus seinen Fehlern lernen. Und überhaupt:
Warum muss das unbedingt - er blickt auf die Uhr - um vier Uhr morgens geklärt
werden?
    Er klingelt nach der Haushälterin. »Kaffee bitte, für zwei. Ins Büro.«
    In letzter Zeit hat er viel mit ihm verhandelt, er hat gestritten,
geworben, gebettelt, gedroht, denn er möchte, dass der Bildungsminister etwas
für die Bildung tut: neue Schulen, Lehrbücher, Schulspeisung, mehr Lehrer. Parada hat nicht
lockergelassen, ist bis an den Rand der Erpressung gegangen, hat Cerro einmal ermahnt,
er solle die ländlichen Gebiete nicht behandeln wie uneheliche Kinder -. eine
Bemerkung, der immerhin zwei neue Grundschulen und ein Dutzend neue Lehrer zu
verdanken waren.
    Vielleicht ist das Cerros Rache, denkt Parada auf dem Weg ins Erdgeschoss. Doch als er Cerro sieht, weiß er,
dass es etwas Ernstes ist.
    Cerro kommt sofort
zur Sache. »Ich habe Krebs. Im Endstadium.«
    Parada erstarrt. »Das
ist ja furchtbar. Kann man da nichts -«
    »Nein. Es gibt keine Hoffnung.«
    »Möchten Sie, dass ich Ihnen die Beichte abnehme?«
    »Dafür habe ich meinen Pfarrer«, sagt Cerro.
    Er überreicht Parada einen Aktenkoffer.
    »Das möchte ich Ihnen übergeben«, sagt er. »Ich weiß nicht, wem ich es
sonst anvertrauen kann.«
    Parada öffnet den
Koffer: Papiere und Tonbänder. »Ich verstehe nicht«, sagt er.
    »Ich bin Mitwisser«, sagt Cerro. »Bei einem gewaltigen Verbrechen. Ich kann nicht
sterben ... Ich habe Angst zu sterben ... mit dieser Last auf meiner Seele. Ich
muss wenigstens versuchen, etwas wiedergutzumachen.«
    »In der Beichte wird Ihnen gewiss Absolution erteilt«, antwortet

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