Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Winslow, Don

Winslow, Don

Titel: Winslow, Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tage der Toten
Vom Netzwerk:
ausgerüstet.
    Um überhaupt zur estancia zu gelangen, muss man von der Landstraße abbiegen und zwei lange Meilen
über eine ungepflasterte Straße fahren, aber so weit kommt es gar nicht, weil
die Abzweigung rund um die Uhr von Zivilpolizisten bewacht wird.
    Hierhin haben sich die Brüder nach dem Überfall auf die Disco
zurückgezogen, und jetzt herrscht höchste Alarmstufe. Die Wachen
patrouillieren Tag und Nacht, die Umgebung wird mit Jeeps überwacht,
Nachrichtentechniker fangen alle Funkkontakte und Handyverbindungen auf.
    Draußen vor Adáns Schlafzimmerfenster sitzt Manuel Sánchez wie ein wachsamer Hund. Jetzt sind wir Zwillinge,
denkt Adán, weil wir beide humpeln - ich hoffentlich nur vorübergehend. Aber wegen
seiner Behinderung habe ich den Mann in all den Jahren als Bodyguard behalten,
seit damals, als wir beide gefoltert wurden, in den schlimmen Zeiten von
Operation Condor.
    Sánchez wird seinen
Posten nicht verlassen - nicht mal zum Essen, nicht mal zum Schlafen.
    Setzt sich einfach an die Mauer, das Gewehr auf den Knien, oder steht auch
mal auf und humpelt an der Hauswand auf und ab.
    »Ich hätte dort sein müssen, patron«, hat er zu Adán gesagt, und die Tränen liefen ihm übers Gesicht. »Ich hätte bei Ihnen sein
müssen.«
    »Du bist fürs Haus und die Familie zuständig«, hat ihn Adán beschieden.
»Und du hast mich noch nie im Stich gelassen.« So wird es auch bleiben.
    Er weicht nicht von Adáns Fenster. Die Köchin bringt ihm Tortillas mit refritas und Paprika,
Schüsseln mit scharfen albóndigas, die isst er draußen vorm Fenster. Don Adán hat ihm das
Leben gerettet, hat sein Bein gerettet, Don
Adán und seine Frau und Tochter sind im
Haus, und wenn Gúeros Sicarios hier auftauchen sollten, kriegen sie es mit Manuel Sánchez zu tun.
    An Manuel Sánchez kommt keiner vorbei.
    Adán ist froh, dass
er da ist, und sei es nur, damit sich Lucia und Gloria sicher fühlen. Sie
mussten eine Menge durchmachen, wurden mitten in der Nacht von Adáns Sicarios geweckt und
aufs Land gebracht, ohne auch nur einen Koffer packen zu können. Die Aufregung
hat bei Gloria zu schweren Atemstörungen geführt, ein Arzt musste eingeflogen
werden, mit verbundenen Augen, und sie betreuen. Die teure und empfindliche
medizinische Ausrüstung - Atemgeräte, Sauerstoffzelte, Luftbefeuchter -,
alles musste mitten in der Nacht abtransportiert werden, und selbst jetzt noch,
Wochen später, zeigt Gloria Symptome.
    Als sie ihn dann humpeln sah, unter Schmerzen, war es ein neuer Schock für
sie, und er hat sich geschämt, weil er ihr etwas von einem Motorradunfall
vorlog und ihr erzählte, sie würden eine Weile auf dem Land bleiben, weil die
Luft hier besser für sie sei.
    Aber sie ist nicht dumm. Sie sieht die Wachtürme, die Gewehre, die
Wachen, und bald wird sie verstehen, dass die Familie sehr reich ist und daher
Schutz braucht.
    Dann wird sie die unbequemen Fragen stellen.
    Und unbequeme Antworten erhalten.
    Papa, wovon lebst du eigentlich?
    Wird sie es verstehen?, fragt sich Adán. Er ist unruhig, gereizt. Mir hängt dieses Warten
langsam zum Hals heraus, sagt er sich. Und um ehrlich zu sein - mir fehlt Nora.
Im Bett und am Tisch. Wie schön wäre es, könnte ich über all das mit ihr reden.
    Am Tag nach dem Überfall konnte er sie telefonisch benachrichtigen.
Fernsehen und Zeitungen hatten von der Sache berichtet, und er wollte ihr
mitteilen, dass es ihm gutging. Dass es ein paar Wochen dauern würde bis zum
Wiedersehen und, wichtiger noch, dass sie sich bis auf weiteres von Mexiko
fernhalten solle.
    Sie hat genauso reagiert wie erwartet, wie erhofft. Nahm beim ersten
Klingeln ab, und er hörte die Erleichterung in ihrer Stimme. Dann machte sie
auch gleich Witze - er sei selbst schuld, wenn er sich von einer Sirene auf
Abwege führen lasse.
    »Gib mir Bescheid«, hat sie gesagt, »und ich komme.«
    Wenn ich das nur könnte, denkt er und streckt ächzend sein Bein. Du ahnst
ja nicht, wie sehr du mir fehlst.
    Im Bett hält er es nicht mehr aus. Behutsam setzt er die Füße auf den
Boden und steht auf. Mit Hilfe des Stocks schafft er es bis zum Fenster. Was
für ein herrlicher Tag! Die strahlende Sonne wärmt, die Vögel singen - es ist
eine Lust zu leben. Sein Bein heilt gut und schnell, ohne Entzündung, bald ist
er wieder voll belastbar. Das ist auch dringend nötig, es gibt viel zu tun, die
Zeit drängt.
    Und er hat Grund zur Sorge. Der Überfall auf La Sirena, der Umstand,
dass sich Gúeros Leute als Federales

Weitere Kostenlose Bücher