Winslow, Don
JUSTITIA!«
- die sich weiter steigern, bis der Präsident von zwei Personenschützern
zum Seitenausgang und von dort zu seiner gepanzerten Limousine geführt wird.
Die Rufe folgen ihm nach, während der Wagen davonfährt.
»JUSTITIA! JUSTITIA!
JUSTITIA!«
Als Parada in der Kathedrale bestattet wird, sind die meisten Regierungsbeamten schon
fort.
Keller hat nicht in die Rufe eingestimmt, aber dass die Menschen genug
haben von der Korruption und von ihrer Regierung Gerechtigkeit fordern,
begeistert ihn. Gut so, sagt er sich. Ich werde meinen Teil dazu beitragen.
Er reiht sich in die Schlange der Trauernden ein und manövriert sich
behutsam nach vorn.
Nora Hayden verbirgt ihr blondes Haar unter einem schwarzen Kopftuch,
auch sonst trägt sie Schwarz - und ist trotzdem bildschön. Er kniet sich neben
sie, hebt die Hände zum Gebet und flüstert: »Sie beten für seine Seele und
schlafen mit seinem Mörder?«
Sie antwortet nicht.
»Wie halten Sie das aus?«, sagt Keller und steht auf. Ihr leises Weinen
bleibt hinter ihm zurück.
Gegen Morgen fliegt der Oberkommandierende der mexikanischen Bundespolizei,
begleitet von fünfzig ausgesuchten Sondereinsatzkräften, nach Tijuana, und bis
zum Nachmittag sind sie aufgeteilt in schwerbewaffnete, kampfbereite
Sechsergruppen, die mit gepanzerten Suburbans und Dodge Rams die Straßen von Colonia Chapultepec durchkämmen.
Am Abend haben sie sechs Stützpunkte der Barreras gestürmt, auch Rauls Villa, in der sie ein Waffenlager finden: Kalaschnikows, Pistolen, Splittergranaten,
Tausende Schuss Munition. In der riesigen Garage stoßen sie auf sechs
gepanzerte Suburbans. Bis zum Ende der Woche haben sie fünfundzwanzig
Barrera-Komplizen verhaftet, über achtzig Häuser, Lager und Ranchos gestürmt, die
entweder den Barreras oder Gúero Méndez gehören, und zehn Sicherheitsbeamte des Flughafens
festgenommen, die den Barreras freies Geleit gaben.
In Guadalajara stößt ein Trupp echter Provinzpolizisten auf ein Auto
voller falscher Provinzpolizisten, und die Hetzjagd durch die Stadt endet
damit, dass sich zwei der falschen Polizisten in einem Haus verschanzen und
sich eine Nacht lang bis in den Morgen hinein eine Schießerei mit Hunderten
echten Polizisten liefern - bis einer getötet wird und der andere sich ergibt,
aber nicht bevor sie zwei echte Polizisten erschossen und den Kommandeur der
Truppe verwundet haben.
Am folgenden Morgen tritt der Präsident vor die Fernsehkameras und
verkündet, er sei entschlossen, die Drogenkartelle ein für alle Mal zu
zerschlagen. Außerdem teilt er mit, es seien siebzig korrupte Polizeibeamte
vom Dienst suspendiert worden und er setze eine Belohnung von fünf Millionen
Dollar aus - für Informationen, die zur Festnahme von Adán und Raúl Barrera sowie Gúero Méndez führen, welche
allesamt auf der Flucht sind - Aufenthalt unbekannt.
Armee, Bundespolizei und Polizeikräfte aller Provinzen durchkämmen jeden
Winkel des Landes - vergeblich.
Sie sind längst
über alle Berge. Gúero hat sich nach Guatemala abgesetzt. Die Barreras in die
Vereinigten Staaten. Sie wohnen jetzt in La Jolla.
Fabián Martínez stöbert Flaco und Dreamer
auf. Sie hausen unter der Laurel Street Bridge in Baiboa Park.
Die Polizei konnte sie nicht finden, aber Fabián ist ins Barrio gegangen, und
die Leute haben ihm Sachen erzählt, die sie der Polizei niemals erzählen
würden. Wenn sie die Polizei ärgern, werden sie von der Polizei schikaniert,
aber wenn sie Fabián ärgern, knallt er sie ab - eiskalt.
Flaco und Dreamer
pennen also unter der Brücke, als Flaco eine Schuhspitze in den Rippen spürt. Er schreckt
hoch, weil er denkt, es ist ein Polizist oder ein Schwuler, aber es ist Fabián.
Mit großen Augen sitzt er da und starrt ihn an, voller Angst, eine Kugel
verpasst zu kriegen, aber Fabián lächelt und sagt: »Hermanitos, jetzt könnt ihr
beweisen, dass ihr Mumm habt.«
Und schlägt
sich an die Brust.
»Worum geht's
denn?«, fragt Flaco.
»Adán braucht euch. Er will, dass ihr noch mal nach Mexiko fahrt.«
Er erklärt ihnen, dass den Barreras die ganze Schuld am Tod des Kardinals
angelastet wird, dass die Federales hinter ihnen her sind, ihre Stützpunkte
stürmen, ihre Leute verhaften, und dass sie keine Ruhe geben werden, bis sie
jemanden haben, dem sie die Schießerei anlasten können.
»Ihr fahrt hin und lasst euch verhaften«, sagt Fabián. »Erzählt ihnen
die Wahrheit - wir waren hinter Gúero Méndez her, er hat uns eine Falle
Weitere Kostenlose Bücher