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Winslow, Don

Winslow, Don

Titel: Winslow, Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tage der Toten
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trockenes
Klicken, und eine Stimme sagt: »Vielleicht beim nächsten Mal, du kleines
Arschloch.«
    Klick!
    Flaco scheißt sich in
die Hose.
    Die Federales brüllen und johlen. »Mann, was für'n Gestank! Was hast du
gestern gefressen, du Scheißer?« Wieder hört Flaco den Hahn
klicken. Dann den Schuss.
    Die Kugel
schlägt neben seinem Ohr in den Boden ein. »Hebt ihn auf«, sagt die Stimme.
    Aber die Federales wollen ihn nicht anfassen, weil er sich eingeschissen
hat. Schließlich haben sie einen Einfall. Sie nehmen Dreamer die Kapuze ab und
den Knebel aus dem Mund und zwingen ihn, Flaco die eingedreckten Hosen auszuziehen. Dann geben sie
ihm einen nassen Lumpen, damit er seinem Freund die Scheiße abwischen kann.
    Flaco flüstert: »Tut
mir leid, tut mir leid.«
    »Schon gut.«
    Sie bringen die beiden zurück in den Van, dann zurück in ihre Zelle. Werfen
sie auf den nackten Betonfußboden, knallen die Tür zu und lassen sie ein
Weilchen schmoren.
    Die beiden liegen auf dem Fußboden und heulen.
    Als eine Stunde später die Tür aufgeht, fängt Flaco an, unkontrolliert
zu zittern.
    Der Polizist wirft beiden einen Schreibblock und einen Stift hin und sagt
ihnen, sie sollen alles aufschreiben.
     
    Am nächsten Morgen stehen ihre Geschichten in den Zeitungen.
    Sie bestätigen, was die Polizei vermutet hat: Der Kardinal wurde das Opfer
einer Verwechslung, er musste sterben, weil ihn amerikanische Banditen mit Gúero Méndez verwechselten.
    El Presidente erscheint wieder im Fernsehen, begleitet von General León, und verkündet,
dass diese Nachricht die Regierung in ihrer Entschlossenheit bestärkt, einen
gnadenlosen Krieg gegen die Drogenkartelle zu führen. Einen Krieg, der nicht enden
wird, bevor die Verbrecher bestraft und die narcotraficantes vernichtet
sind.
     
    Flacos Zunge hängt
schlaff heraus.
    Sein Gesicht ist dunkelblau angelaufen.
    Er hat eine Schlinge um den Hals und hängt an einem Heizungsrohr der
Zelle.
    Neben ihm baumelt Dreamer.
    Der Gerichtsmediziner liefert den Befund: Gemeinschaftlicher Selbstmord.
Die jungen Männer konnten nicht mehr mit der Schuld leben, Kardinal Parada umgebracht zu
haben. Die Verletzungen an ihren Hinterköpfen, erzeugt mit einem stumpfen Gegenstand,
interessieren den Gerichtsmediziner nicht.
     
    San Diego
     
    Keller wartet auf der amerikanischen Seite.
    Durch das Nachtsichtgerät sieht die Gegend merkwürdig grün aus. Überhaupt
eine merkwürdige Gegend, denkt er. Nichts als staubige Hügel und steinige
Canyons. Das Niemandsland zwischen Tijuana und San Diego.
    Jede Nacht spielen sich hier verrückte Szenen ab. Am Abend sammeln sich
die Mojados am trockenen Flutkanal, der entlang der Grenze verläuft, und warten auf
die Dunkelheit. Und wie auf Signal überklettern sie alle den Zaun. Es ist ein
Mengenspiel. Die Illegalen wissen, dass die Grenzer nur ein paar Leute festhalten
können, die anderen kommen durch und können sich einen Billigjob als
Obstpflücker, Tellerwäscher oder Farmarbeiter suchen.
    Heute ist die nächtliche Hatz schon vorüber. Keller hat dafür gesorgt,
dass sich die Grenzwachen von diesem Abschnitt fernhalten. Er erwartet einen
Flüchtling, als Gast der Vereinigten Staaten, der keinen regulären Übergang
benutzen kann. Es wäre zu gefährlich. Die Barreras lassen die Übergänge rund um
die Uhr überwachen, und diesen Mann dürfen sie nicht sehen.
    Unruhig blickt er auf die Uhr. Es ist ein Uhr zehn, zehn Minuten über die
Zeit. Vielleicht hat sich der Mann im schwierigen Gelände verlaufen, ist in
einem Canyon stecken geblieben, den falschen Hang hinauf oder ...
    Nur Geduld, sagt er sich, Ramos ist bei ihm, und Ramos kennt die
Gegend wie seinen Hinterhof, was sie ja auch irgendwie ist.
    Vielleicht hat der Mann beschlossen, doch lieber den Barreras zu
vertrauen. Vielleicht hat er Angst bekommen, einen Rückzieher gemacht. Oder
Ramos war nicht schnell genug, und er liegt jetzt im Straßengraben, mit einer
Kugel im Kopf oder, wahrscheinlicher noch, mit einem Schuss in den Mund, wie
bei Informanten üblich.
    Endlich ein Licht, das dreimal aufblinkt. Er entsichert den Dienstrevolver
und steigt in den Canyon, die Taschenlampe in der einen Hand, den Revolver in
der anderen. Nach einer Minute erkennt er zwei Gestalten. Eine große, dicke und
eine kleine, schmächtige.
    Der Pfarrer sieht bemitleidenswert aus. Er trägt keine Soutane, sondern
ein Kapuzenshirt, Jeans und Turnschuhe. Durchaus angemessen, denkt Keller.
    Aber er wirkt
verfroren und ängstlich.

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