Winslow, Don
gestellt, und Fabián hat aus Versehen
nicht ihn, sondern Parada erschossen. Niemand hatte vor, Parada auch nur ein Haar zu krümmen. Etwas in der Art.«
»Ich weiß
nicht, Mann«, sagt Dreamer.
»Hört zu«, sagt Fabián. »Ihr seid minderjährig. Und ihr habt nicht geschossen. Ihr kriegt höchstens
ein paar Jahre, und eure Familien werden bestens versorgt. Wenn ihr wieder
rauskommt, habt ihr euch die Anerkennung und den Respekt von Adán verdient. So
was zahlt sich aus wie Zinsen. Flaco, deine Mutter ist doch Zimmermädchen, oder?«
»Ja.«
»Nicht mehr
lange«, sagt Fabián. »Wenn du Mumm hast.«
»Ich weiß
nicht«, sagt Dreamer. »Mexikanische Bullen ...«
»Ich mach euch einen Vorschlag«, sagt Fabián. »Die Abschussprämie
auf Gúero, wisst ihr noch? Fünfzigtausend Dollar. Die teilt ihr euch. Ihr sagt
mir nur, wem wir das Geld geben sollen - und fertig.«
Beide sagen,
ihre Mütter sollen das Geld bekommen.
Als sie zur Grenze kommen, zittern Flacos Knie so sehr, dass er Angst hat, es könnte Fabián auffallen. Sie
schlagen richtig gegeneinander, er kann es nicht stoppen. Er hat Tränen in den
Augen, und er kann sie nicht zurückhalten. Er schämt sich gewaltig, obwohl er
auch Dreamer auf dem Rücksitz schniefen hört.
Am Übergang
hält Fabián und lässt sie aussteigen.
»Ihr habt
Mumm«, sagt er. »Ihr seid Kämpfer.«
Ohne Probleme kommen sie durch die Kontrolle und den Zoll und machen sich
auf den Weg, weiter südwärts, Richtung Innenstadt. Keine zwei Straßen weiter,
und sie werden von Scheinwerfern geblendet, Federales brüllen »Hände hoch!«.
Als Flaco die Hände hebt, wirft ihn ein Polizist zu Boden und fesselt ihm die Arme
auf den Rücken.
Flaco liegt im Dreck,
sein Rücken tut wahnsinnig weh, weil seine Arme so fest zusammengebunden sind,
aber das ist gar nichts im Vergleich mit dem, was dann kommt. Der Bulle spuckt
ihm ins Gesicht und tritt ihm mit voller Kraft ans Ohr, mit der Spitze seiner
Kampfstiefel, und Flaco denkt, sein Trommelfell explodiert.
Der Schmerz in
seinem Kopf geht ab wie ein Feuerwerk. Von ganz weit hört er eine Stimme, und
die Stimme sagt: »Das ist nur der Anfang, mein Sohn.« Die Hauptsache kommt
noch.
Noras Telefon
klingelt, es ist Adán. »Ich muss dich sehen.«
»Fahr zur
Hölle.«
»Es war ein Unfall«, sagt er. »Ein Irrtum. Ich muss es dir erklären. Gib
mir eine Chance. Bitte!«
Sie will auflegen, .verachtet sich dafür, dass sie's nicht tut, und
verspricht ihm ein Treffen, in derselben Nacht, am Strand von La Jolla, am
Wachturm 38.
Im Schatten des Wachturms sieht er sie näher kommen. Allein, wie es
aussieht.
»Du weißt, mein Leben liegt in deinen Händen«, sagt er. »Wenn du die
Polizei benachrichtigt hast...«
»Er war dein Pfarrer«, sagt sie. »Dein Freund. Mein Freund. Wie
konntest du -«
Er schüttelt den Kopf. »Ich war gar nicht dort. Ich war zu einer Taufe in
Tijuana. Es war ein Unfall, er ist ins Kreuzfeuer geraten -«
»Die Polizei
sagt etwas anderes.«
»Die Polizei
ist von Méndez gekauft.«
»Ich hasse
dich, Adán.«
»Bitte sag das
nicht.«
Er sieht so traurig aus, denkt sie. Einsam. Verzweifelt. Sie möchte ihm
gern glauben.
»Schwöre«, sagt sie. »Schwöre mir, dass du die Wahrheit sagst.«
»Ich schwöre es.«
»Beim Leben deiner Tochter.«
Den Gedanken, sie zu verlieren, hält er nicht aus.
Er nickt. »Ich schwöre.«
Sie streckt ihm
die Hände entgegen, er nimmt sie in die Arme. »Mein Gott, Adán, ich bin so
verzweifelt.«
»Ich weiß.«
»Ich habe ihn
geliebt.«
»Ich weiß«,
sagt Adán. »Ich auch.« Und das Traurige daran ist, denkt er, dass es stimmt.
Sie müssen in
einer Deponie sein, denn es riecht nach Müll.
Und es muss Morgen sein, weil er die Sonne im Gesicht spürt, durch die
schwarze Kapuze hindurch. Sein linkes Trommelfell ist geplatzt, aber mit dem
guten Ohr hört er Dreamer jammern. »Bitte, bitte. Nein, nein, bitte ...«
Ein Gewehrschuss, und er hört nichts mehr von Dreamer.
Dann spürt Flaco einen Gewehrlauf an der Schläfe, neben seinem guten Ohr. Der Polizist
lässt den Gewehrlauf an seiner Schläfe kreisen, damit Flaco weiß, worum es
sich handelt. Flaco hört, wie der Hahn gespannt wird.
Flaco schreit.
Ein trockenes Klicken.
Flaco pisst sich ein.
Die warme Pisse läuft ihm an den Beinen hinab, seine Knie knicken ein, er
windet sich auf dem Boden wie ein Wurm, versucht wegzukommen von dem Gewehrlauf
an seiner Schläfe, dann hört er wieder den Gewehrhahn und wieder ein
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