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Winslow, Don

Winslow, Don

Titel: Winslow, Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tage der Toten
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umso mehr war er erstaunt,
dass Eva
    Noch unerwacht mit wirren Locken
lag,
    Mit glühenden Wangen, wie von
ruhelosem Schlaf wild erhitzt...
    John Milton, Das verlorene
Paradies
     
     
    Rancho las Bardas
Baja, Mexiko
     
    März 1997
     
    Nora schläft mit dem Herrn der Himmel.
    So heißt Adán jetzt in der Drogenszene - el
Señor de los Cielos. Der Herr der
Himmel.
    Und wenn er der Herr ist, ist Nora die Herrin.
    Ihre Affäre ist kein Geheimnis mehr. Sie sind fast immer zusammen. Und
nicht ganz ohne Ironie wird sie von den Narcos als la
Güera bezeichnet, »die Blonde«, Adáns goldhaarige
Mätresse, seine Beraterin.
     
    Gúero wurde in Guamuchilito zur letzten Ruhe gebettet.
    Die ganze Stadt nahm an der Beerdigung teil.
    Auch Adán und Nora. Er im schwarzen Anzug, sie mit schwarzem Kostüm und Schleier. So
sah man sie im Trauerzug hinter dem blumengeschmückten Katafalk. Eine
Mariachi-Kapelle spielte tränenselige Corridos, während sich die Prozession durch die Stadt
bewegte, beginnend an der von Gúero gestifteten Kirche, vorbei an der Klinik
und dem Fußballplatz, die ebenfalls von ihm bezahlt sind, bis zum Mausoleum mit
den sterblichen Überresten seiner Frau und seiner Kinder.
    Er wurde lautstark beweint, Trauernde rannten nach vorn zum offenen Sarg
und warfen Blumen hinein.
    Sein Gesicht wirkte ruhig, gelassen, fast heiter. Das blonde Haar war
glatt zurückgekämmt, und statt der zu Lebzeiten bevorzugten schwarzen
Cowboykluft trug er einen teuren anthrazitfarbenen Anzug mit roter Krawatte.
    Überall sah man Sicarios - die von Adán und die alten Getreuen von Gúero, .aber ihre Pistolen blieben pietätvoll
unter Hemden und Jacken verborgen. Und obwohl Adáns Leute alles
scharf im Blick behielten, machte sich niemand allzu große Sorgen, dass es
einen Anschlag geben könnte. Der Krieg war vorüber, Adán Barrera hatte gesiegt,
und zudem legte er eine bewundernswerte Haltung an den Tag.
    Einem Vorschlag Noras war es zu verdanken, dass Gúero in seiner Heimat,
bei seiner Familie liegen durfte und dass sie beide demonstrativ an der
Beerdigung teilnahmen, an prominenter Stelle. Sie hatte Adán auch geraten,
die Kirche, die Klinik und den Sportplatz mit ansehnlichen Geldspenden zu
unterstützen. Und ein Gemeindezentrum zu finanzieren, das den Namen des
verstorbenen Héctor »Gúero« Méndez Salazar tragen sollte. Und vorher Emissäre auszusenden, die Gúeros Leuten
verkündeten, dass Frieden sei, dass es keine Vergeltung geben werde, dass die
Geschäfte weiterlaufen würden wie gewohnt. Adán nahm also als
Sieger an der Prozession teil, aber er hielt einen Ölzweig in der Hand.
    Im Mausoleum kniete er, ebenfalls auf Noras Rat, vor den Bildern von
Pilar, Claudia und Gúerito nieder und betete für ihr Seelenheil. Jedem der
Toten zündete er eine Kerze an, dann senkte er den Kopf und widmete sich dem
stillen Gebet.
    Auf die Leute draußen verfehlte diese schäbige kleine Komödie nicht ihre
Wirkung. Sie wussten, wie das lief, sie waren gewöhnt an Mord und Totschlag
und irgendwie auch an Versöhnung und Vergessen. Als Adán aus dem
Mausoleum kam, schien niemand mehr daran zu denken, dass die Toten vor allem
auf sein Konto gingen.
    Mit Gúero wurden auch die Erinnerungen an den Krieg begraben.
    So hatten Adán und Nora es schon bei der Beerdigung von el Verde und García Abrego gemacht,
und überall, wohin sie kamen, lief es nach diesem Muster. Mit Nora an seiner
Seite eröffnete er Schulen, Kliniken, Spielplätze - und stets im Namen der
Verstorbenen. Mit deren früheren Geschäftspartnern traf er sich privat, bot
ihnen Frieden, Vergebung, Schutz und verminderte Abgaben an.
    Schnell hieß es: Entweder Adán oder Raúl, du hast die Wahl. Die kluge Mehrheit entschied sich
für Adán, die weniger Klugen bekamen ein würdiges Begräbnis.
    Die Federación war wieder da, und Adán war ihr patrón.
    Mit dem Frieden kam der Wohlstand.
    Am l. Dezember 1994 wurde der neue mexikanische Präsident in sein Amt eingeführt, und schon
am Tag darauf begannen zwei von der Federación kontrollierte Maklerfirmen damit, Staatsanleihen
aufzukaufen. In der Woche daraufzogen die Drogenkartelle ihr Kapital aus der
mexikanischen Nationalbank ab und zwangen den Präsidenten zu einer Abwertung
des Peso um fünfzig Prozent. Darauf, kurz vor Weihnachten, löste die Federación ihre Anleihen
ein und brachte die Wirtschaft an den Rand des Zusammenbruchs. Feliz Navidad.
    Die Federación kaufte Eigentumswerte, Immobilien und Pesos zum Spottpreis auf

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