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Winslow, Don

Winslow, Don

Titel: Winslow, Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tage der Toten
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und den Warenverkehr zwischen
USA und Mexiko erleichtert. Und mit dem Warenverkehr auch den Drogenverkehr.
    Der ist einträglicher als je zuvor, weil Adán seine neue
Marktmacht nutzt, um mit den Kolumbianern bessere Verträge auszuhandeln, die
vor allem besagen: Wir nehmen euch das ganze Kokain ab, doch um den Vertrieb
kümmern wir uns lieber selbst, vielen Dank. So können wir uns die tausend
Dollar Lieferkosten pro Kilo sparen.
    Dasnordamerikanische(Drogen-)Freihandelsabkommen, denkt Adán.
    Gott segne den Freihandel.
    Seit Adán die Geschäfte führt, hat das alte mexikanische Trampolin seine Bedeutung
verloren. Warum springen, wenn man fliegen kann? .
    Und Adán kann fliegen.
    Er ist der Herr der Himmel.
    Auch wenn die goldenen Zeiten nicht wiederkehren.
    Denn Adán ist Realist genug, um zu wissen, dass nach dem Mord an Parada nichts mehr so
sein kann, wie es war. Technisch gesehen steht er immer noch auf der
Fahndungsliste, die »neuen Freunde« in Los Pinos haben eine
Belohnung von fünf Millionen Dollar auf die Barrera-Brüder ausgesetzt, beim
amerikanischen FBI stehen sie auf der Liste der Meistgesuchten, ihre Fotos
zieren sämtliche Grenzübergänge und Regierungsämter Mexikos.
    Natürlich nur zum Schein. Um die Amerikaner ruhigzustellen. Die
mexikanische Justiz ist so eifrig hinter den Barrera-Brüdern her, wie sie
bemüht ist, den Drogenhandel zu unterbinden - nämlich gar nicht.
    Trotzdem dürfen die Barreras nicht auftrumpfen, dürfen die Justiz nicht
vorführen, so lautet die stillschweigende Übereinkunft. Und das heißt: keine
Partys mehr, keine Galadinner, keine Discos, keine vorderen Plätze mehr bei
Pferderennen und Boxkämpfen. Die mexikanische Regierung muss den Amerikanern
glaubhaft versichern können, dass sie die Barreras sofort verhaften würde,
wenn sie denn wüsste, wo sie sich verstecken.
    Daher wohnt Adán nicht mehr in seinem großen Haus in der Colonia Hipódromo, besucht nicht
mehr seine Restaurants, sitzt nicht mehr in der hinteren Ecke, um seine
Abrechnungen vorzunehmen. Und all das vermisst er nicht. Weder sein Haus noch
die Restaurants. Wohl aber seine Tochter.
    Lucia und Gloria sind in die USA übergesiedelt, sie wohnen jetzt in
Bonita, einem ruhigen Vorort von San Diego. Gloria besucht die katholische
Schule, Lucia die örtliche Kirche. Einmal wöchentlich trifft sie auf dem
Parkplatz des Shopping Center mit einem Kurier zusammen, der ihr einen Umschlag
mit siebzigtausend Dollar übergibt.
    Einmal im Monat fährt Lucia mit Gloria nach Mexiko zu ihrem Vater.
    Sie treffen sich in entlegenen Hotels oder auf einem Picknickplatz an der
Straße nach Tecate. Adán lebt für diese Treffen. Gloria ist jetzt zwölf, und sie begreift allmählich,
warum ihr Vater nicht bei ihnen wohnen kann, warum er nicht in die Vereinigten
Staaten darf. Er versucht ihr zu erklären, dass man ihn zu Unrecht bezichtigt,
dass die Amerikaner den Barreras alle Sünden der Welt aufbürden wollen.
    Aber meistens reden sie über harmlosere Dinge - wie es in der Schule
läuft, welche Musik sie hört, welche Filme sie gesehen hat, welche Freundinnen
sie hat und was sie zusammen unternehmen. Sie wird natürlich größer, aber auch
ihre Missbildungen wachsen mit, sogar schneller als zuvor. Das Gewächs an ihrem
Hals zieht ihren ohnehin zu schweren Kopf nach unten und nach links, so dass
ihr auch das Sprechen immer schwerer fällt. Manche Kinder in der Schule
hänseln sie und nennen sie Elephant Girl. Es ist nun mal so, denkt er. Kinder
sind grausam.
    Er weiß, dass es sie verletzt, aber sie tut es mit einem Schulterzucken
ab.
    »Das sind Idioten«, sagt sie. »Mach dir keine Sorgen, ich habe Freunde.«
    Aber er macht sich Sorgen - wegen ihrer Gesundheit, wegen ihrer schlechten
Krankheitsprognose. Jedes Mal, wenn der Besuch zu Ende geht, muss er mit den
Tränen kämpfen. Wenn Gloria im Auto sitzt, redet er mit Lucia, will sie zur
Rückkehr nach Mexiko überreden, aber sie geht nicht darauf ein.
    »Ich will doch nicht leben wie ein Flüchtling«, sagt sie. Außerdem hat
sie Angst in Mexiko, Angst vor einem neuen Krieg, Angst um ihre Tochter.
    Das sind schon Gründe genug, aber Adán kennt die wahren Gründe - sie ist voller Verachtung
für ihn. Sie schämt sich für ihn, für seinen Lebensunterhalt, will das so weit
von sich fernhalten wie nur möglich, will sich ihrer Tochter widmen - in der
friedvollen Umgebung eines amerikanischen Vororts.
    Aber das Geld
nimmt sie trotzdem, denkt Adán. Den Kurier schickt sie nicht

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