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Winslow, Don

Winslow, Don

Titel: Winslow, Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tage der Toten
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Tischchen unter dem gewölbten Sonnendach in
der Bootsmitte. Zwei ältere, ein jüngerer. Sie stehen auf, um Adán und Nora zu
begrüßen. Der eine hat die kantigen Schultern und starre Haltung eines
Offiziers, der andere wirkt entspannter und ein wenig gebeugt - er ist der
Geschäftsmann. Der dritte ist sichtlich nervös in der Gesellschaft so bedeutender
Männer. Das, denkt Nora, muss der Dolmetscher sein.
    Er stellt sich auf Englisch als Mr. Yu vor, und Nora übersetzt alles ins
Spanische, obwohl Adán recht gut Englisch kann. Aber das liefert ihr den Vorwand für ihre
Anwesenheit, und sie hat sich eigens für diesen Auftritt ein schlichtes graues
Kostüm mit hochgeschlossener Bluse ausgesucht und sparsam Schmuck angelegt.
    Die Männer sind nicht blind für ihre Schönheit. Mr. Li, der Offizier,
verbeugt sich galant, als er ihr vorgestellt wird, und Mr.
    Chen, der Geschäftsmann, küsst ihr lächelnd die Hand. Nachdem das
Begrüßungszeremonial absolviert ist, nehmen alle am Teetisch Platz und kommen
zum Geschäftlichen.
    Der erste Teil des Geschäftlichen, der scheinbar endlose Austausch von
Freundlichkeiten und Komplimenten, geht Adán gewaltig auf die Nerven, zumal alles aus dem
Mandarin ins Englische und vom Englischen ins Spanische und dann wieder zurück
übersetzt werden muss. Am liebsten würde er sofort zur Sache kommen, aber Nora
hat ihm erklärt, dass Geschäfte in China nun einmal so ablaufen. Man würde ihn
als unhöflichen und folglich unfähigen Geschäftsmann betrachten, wollte er diesen
Prozess abkürzen. Also sitzt er da und lächelt freundlich, während darüber
gesprochen wird, wie schön Hongkong ist. Dann wird die Schönheit Mexikos
gewürdigt, die wunderbare mexikanische Küche, die Liebenswürdigkeit und
Intelligenz der Mexikaner im Allgemeinen. Nora lobt die Qualität des Tees,
worauf Mr. Li erwidert, dieser Tee sei wertloses Zeug, und Nora die Bemerkung
anschließt, sie wünschte, sie bekäme solches »Zeug« in Tijuana zu kaufen, was
Mr. Li mit dem Angebot pariert, ihr diesen Tee zu schicken, obwohl er viel zu
schlecht für sie sei und so weiter und so fort, bis Mr. Li, ein hochrangiger
General der Volksbefreiungsarmee, dem Dolmetscher mit einem kaum merklichen Nicken
zu verstehen gibt, dass er nun zum Thema kommen will.
    Ein Waffengeschäft.
    Ausgehandelt in allen drei Sprachen, obwohl Li sehr gut Englisch kann.
Aber der Übersetzungsprozess gibt ihm Zeit zum Nachdenken und zu Absprachen mit
Chen, dem Vertreter von GOSCO - der Guangdong Overseas Shipping Company -, außerdem
wird so der Anschein gewahrt, dass diese schöne Frau nur Barreras Dolmetscherin
ist und nicht seine Mätresse, wie aus diplomatischen Kreisen Mexikos verlautet.
Es hat Zeit gekostet, dieses Treffen anzubahnen, viel Zeit und behutsames
Taktieren, doch die Chinesen haben ihre Hausaufgaben gemacht. Sie wissen
längst, dass der Drogenbaron mit einem bekannten Callgirl zusammenlebt, das
geschäftlich mindestens genauso beschlagen ist wie ihr Liebhaber. Also hört Li
geduldig zu, während Yu mit der Frau spricht und die Frau mit Barrera, obwohl längst
klar ist, worum es geht, sonst säßen sie hier nicht zusammen.
    -    Welche Art von Waffen?
    -    Maschinenpistolen. Kalaschnikow.
    -    Bei Ihnen in Mexiko nennt man sie »Bockshorn« - das ist sehr originell. An
wie viele dachten Sie?
    -    Für den Anfang eine kleine Menge. Vielleicht ein paar tausend.
    Li ist verblüfft. Und beeindruckt, weil Barrera - oder war es
die Frau? - eine solche Bestellung als »klein« bezeichnet hat, was ihnen als
Handelspartnern sehr viel mehr Gewicht verleiht. Während ich an Gewicht
verliere, wenn mir diese »kleine« Bestellung zu groß erscheint. Und dann
dieser geschickte Köder, die Bemerkung, dass es nur ein Anfang ist. Damit ich
weiß, dass es Nachfolgeaufträge gibt, wenn ich diese gigantische Zahl an Waffen
liefern kann.
    Li hat die Antwort schon parat.
    -    Gewöhnlich liefern wir nicht in so kleinen Stückzahlen.
    -    Wir wissen Ihr Entgegenkommen zu schätzen. Vielleicht machen wir es Ihnen
leichter, wenn wir auch ein paar schwerere Waffen bestellen? Sagen wir, ein
paar Granatwerfer?
    -    Granatwerfer? Stehen Sie vor einem Krieg?
    Nora antwortet. Das
friedliebende chinesische Volk weiß genau, dass Waffen dazu da sind, Kriege zu
vermeiden, statt sie zu führen. Wie der Philosoph Sun Tsu sagte: »Für meine
Wehrhaftigkeit sorge ich, für seine Verletzlichkeit sorgt der Feind.«
    Die langen Flugstunden hat sie

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