Winslow, Don
Besitzerin hatte die Wahl, wegen Drogenbesitz fünf
Jahre in den Bau zu gehen oder dem Herrn der Grenzen ab und zu einen Gefallen
zu tun. Sie entschied sich für Letzteres.
»Mir geht's gut«, sagt sie.
Aber sie ist wütend.
Nein, wütend ist nicht das richtige Wort, denkt sie, während sie Art
Keller ansieht. Du hast behauptet, mit meiner Hilfe könntest du Adán Barrera ganz schnell
erledigen, aber das ist jetzt zweieinhalb Jahre her. Zweieinhalb Jahre schon
muss ich Liebe heucheln, mit einem Mann schlafen, den ich verabscheue, ich
spüre ihn in meinem Mund, in meinem Bauch, in meinem Arsch, und ich tue so, als
würde ich ihn lieben - dieses Monster, das den einzigen Mann auf dem Gewissen
hat, den ich wirklich geliebt habe -, um ihn zu manipulieren, ihm zu der Macht
zu verhelfen, die ihm noch mehr Verbrechen ermöglicht. Du weißt nicht, wie das
ist - woher auch? -, wenn ich morgens aufwache, und dieser Mensch liegt neben
mir, ich krieche ihm zwischen die Beine, mache die Beine breit für ihn,
schreie meinen geheuchelten Orgasmus heraus, dann lache ich und plaudere mit
ihm, teile seine Mahlzeiten, lebe die ganze Zeit in einem Alptraum und warte
darauf, dass du endlich etwas unternimmst.
Aber was hast du bis jetzt getan?
Die Orejuela-Brüder verhaftet, weiter nichts.
Seit zweieinhalb Jahren sitzt du auf deinen Informationen und wartest ab.
»Es ist zu riskant«, sagt Keller jetzt.
»Auf Haley kann ich mich verlassen«, erwidert sie. »Ich möchte, dass du
handelst. Jetzt.«
»Adán sitzt zu fest im Sattel. Ich will -«
Als sie ihm vom Deal mit der FARC und den Chinesen erzählt, ist Keller
fasziniert. Er weiß, dass sie clever ist - er hat sie beobachten lassen, als
sie Adán aus der Klemme half -, aber dieser Durchblick! Sie weiß genau, worum es
geht.
Klar weiß ich das, denkt Nora. Ihr Leben lang hat sie Männer studiert. Sie
sieht, was sich auf Kellers Gesicht abspielt, wie seine Augen aufleuchten. Das
klappt bei jedem Mann, wenn man die richtigen Dinge anspricht. Sie kennt sich
aus, und jetzt sieht sie, wie Keller tickt.
Er will Vergeltung.
Genauso wie ich.
Denn Adán hat einen fatalen Fehler begangen, der ihm das Genick brechen kann. Und
wir beide wissen es.
»Wer weiß von dem Waffengeschäft?«, fragt er.
»Adán, Raúl, Fabián Martinez«, sagt
sie. »Und ich. Jetzt du.«
Keller schüttelt den Kopf. »Wenn ich jetzt handle, wissen sie, dass du's
bist. Du darfst nicht zurück nach Mexiko.«
»Ich fahre aber zurück. Wir wissen, dass die Waffen nach San Pedro geliefert
werden. Aber nicht, mit welchem Schiff, an welches Pier.«
Das wäre natürlich wichtig, denkt Keller. Aber wenn wir die Lieferung
hochgehen lassen, bist du so gut wie tot.
Als er gehen will, fragt sie ihn: »Willst du mit mir schlafen, Keller? Im
Dienst der Sache, natürlich.«
Seine Einsamkeit ist mit Händen zu greifen, denkt sie. Eine Geste genügt.
Sie öffnet ein klein wenig die Schenkel. In ihm arbeitet es.
Das ist ihre kleine Rache, weil er sie schon so lange als »Schläferin«
einsetzt.
»War nur Spaß, Art«, sagt sie.
Er versteht.
Sie hat's ihm gezeigt.
Er weiß, dass es nicht zu vertreten ist, was er da macht. Sie so lange
dieser Konspiration auszusetzen. Sechs Monate sind schon viel, ein Jahr das
Maximum. Diese Belastung hält keiner lange aus. Die Agenten verlieren die
Nerven, sie verraten sich, ihre Informationen führen auf ihre Spur, die Uhr
läuft ab.
Und Nora Hayden ist kein Profi. Streng genommen ist sie nicht einmal eine
Agentin, sondern nur eine Informantin. Aber egal. Sie steckt tief drin in der
Konspiration, und das schon viel zu lange.
Aber ich kann ihre Informationen nicht nutzen, weil Barrera von Mexiko
geschützt wird. Und hier in den USA darf ich ihre Informationen nicht nutzen,
weil sie auffliegen kann, bevor wir Barrera ein für alle Mal das Handwerk gelegt haben.
Eine quälende Zwangslage. Noras Informationen würden ausreichen, das
Barrera-Kartell mit einem einzigen Schlag zu vernichten, aber er kann diesen
Schlag nicht führen. Er kann nur warten und hoffen, dass der Herr der Himmel
der Sonne zu nahe kommt.
Und das hat er jetzt getan.
Es ist Zeit, zuzuschlagen. Und Zeit, Nora rauszuholen.
Ich könnte sie sofort verhaften, denkt er. Ein Vorwand findet sich immer.
Festsetzen, kompromittieren, damit sie nicht zurückkann. Ihr eine neue
Identität, eine neue Existenz verschaffen.
Aber er tut's nicht.
Weil er sie noch braucht. Sie muss noch ein Weilchen an Adán Barrera
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