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Winslow, Don

Winslow, Don

Titel: Winslow, Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tage der Toten
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gemacht haben?«
    Adán schüttelt den
Kopf.
    »Weil die Bewohner einer linken Gruppe erlaubt hatten, einen Brunnen zu
graben. Als ich zurückkam, fand ich die Leichen, die da im Dreck lagen. Meine
Nachbarn, meine Freunde, meine Verwandten. Ich ging zurück in die Berge,
diesmal, um mich den Guerillas anzuschließen. Warum erzähle ich Ihnen das? Weil
Sie sagen können, Sie sind unpolitisch. Aber wenn Sie eines Tages Ihre Freunde
und Verwandten im Dreck liegen sehen, werden Sie politisch.«
    Adán erwidert: »Es
gibt Arm und Reich, es gibt Macht und Ohnmacht. Das ist schon alles.«
    »Sehen Sie?« Jetzt lächelt Tirofio. »Sie sind schon ein halber Marxist.«
    »Was kann ich Ihnen bieten?«
    Waffen.
    Tirofio befehligt zwölftausend Kämpfer und möchte dreißigtausend mehr
haben. Aber er hat nur achttausend Gewehre. Adán verfügt über
Geld und Flugzeuge. Wenn seine Flugzeuge Kokain ausfliegen, können sie auch
Waffen einfliegen.
    Ich muss dem Mann geben, was er will, wenn ich meinen Nachschub sichern
will, weiß Adán. Ich muss ihm Waffen liefern, damit er sein Territorium gegen die rechten
Milizen, gegen die Armee und, ja, gegen die Amerikaner verteidigen kann. Das
ist eine praktische Notwendigkeit, aber auch ein Stück Vergeltung. Also fragt
er: »Hätten Sie einen Vorschlag?«
    Tirofio hat einen.
    »Ganz einfach«, sagt er.
    Ein Kilo gegen ein Gewehr.
    Für jedes Gewehr, das Adán einfliegt, gibt die FARC ein Kilo Kokain frei, zu
einem Preis, der den Gegenwert der Waffen berücksichtigt. Das Maß bildet die
Standardwaffe, die Kalaschnikow, aber auch amerikanische M16 und M2 sind
willkommen, da die FARC die passende Munition bei ihren Gegnern erbeuten kann.
Für andere Waffen - Tirofio benötigt dringend Bazookas - bietet er anderthalb
oder gar zwei Kilo.
    Adán akzeptiert,
ohne zu feilschen.
    Irgendwie käme ihm das jetzt schäbig vor, fast unpatriotisch. Außerdem,
dieser Deal ist tragfähig. Falls - und da liegt das Problem -, falls er
genügend Waffen auftreiben kann.
    »Dann wären wir uns einig?«, fragt Adán.
    Tirofio schüttelt ihm die Hand. »Eines Tages werden Sie begreifen, dass
alles politisch ist, und Sie werden sich von Ihrem Herzen statt von Ihrer
Brieftasche leiten lassen.«
    »Und an diesem Tag«, verspricht ihm Tirofio, »entdecken Sie Ihre Seele.«
     
    Nora breitet die Sachen auf dem Bett aus - Hemden und Anzüge für Adán, die sie in La
Jolla gekauft hat. In dem kleinen Hotel in Puerto Vallaría hat sie auf
seine Rückkehr gewartet »Gefallen sie dir?«
    »Klar.«
    »Du hast kaum einen Blick drauf geworfen«, beschwert sie sich.
    »Tut mir leid.«
    »Schon gut.« Sie umarmt ihn. »Sag mir einfach, was dich beschäftigt.«
    Adán erklärt ihr,
vor welchen logistischen Herausforderungen er steht, und sie hört ihm
aufmerksam zu. Er weiß nicht, wo er die Menge an Waffen hernehmen soll, die er
braucht, um mit Tirofio ins Geschäft zu kommen. Es ist kein Problem, hier und
da Gewehre zu bekommen - die USA sind ein einziger Waffenmarkt, wenn man so
will -, aber die Stückzahlen, die er im Lauf der nächsten Monate braucht, gibt
selbst der amerikanische Schwarzmarkt nicht her.
    Und sie müssen über die USA geschmuggelt werden. Die Yankees sind zwar
wie wild hinter Drogen her, aber die Mexikaner sind noch wilder, wenn es um
Waffen geht. Beklagt sich Washington über den Zustrom von Drogen aus Mexiko,
reagiert Mexiko mit Beschwerden über die Waffen, die aus den USA ins Land
geschmuggelt werden. Dass die Mexikaner Feuerwaffen gefährlicher zu finden
scheinen als Drogen, sorgt immer wieder für Zündstoff in den Beziehungen beider
Länder. Die Mexikaner verstehen einfach nicht, warum in den USA die Kleindealer
längere Haftstrafen bekommen als die großen Waffenschieber.
    Nein, wenn es um Waffen geht, sind die Mexikaner empfindlich - ganz
normal für ein Land, dessen Geschichte von Revolutionen geprägt ist. Erst
recht, seit in Chiapas Unruhen herrschen. Adán erklärt Nora,
dass es unmöglich ist, diese Mengen von Waffen auf direktem Wege nach Mexiko zu
bringen, selbst wenn es ihm gelingt, einen Lieferanten zu finden. Sie müssen in
die USA gebracht, dann auf den bewährten Schmuggelpfaden, nur in umgekehrter
Richtung, durch die Baja-Provinz geschmuggelt, in die Boeings verladen und nach
Kolumbien'geflogen werden.
    »Kannst du überhaupt so viele Gewehre auftreiben?«, fragt Nora.
    »Ich muss«, sagt Adán. »Und wo?«
     
    Hongkong
     
    1997
     
    Der Landeanflug auf Hongkong ist immer

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