Winslow, Don
dranbleiben. Er weiß, dass er den Bogen
überspannt. Aber er lässt sie gehen.
»Ich brauche Beweise«, sagt John Hobbs.
Harte, vernichtende Beweise, bevor ich auch nur daran denken kann, die
mexikanische Regierung zu Taten zu drängen.
»Ich habe eine Quelle«, sagt Keller.
Hobbs nickt. »Ja, welche?«
»Die kann ich nicht preisgeben.«
Hobbs grinst. »Das hatten wir doch schon, dass Sie mit nichtexistenten
Quellen arbeiten.«
Und jetzt kommt ihm Keller trotz seiner notorischen Barrera-Macke mit der
Geschichte, dass Adán Barrera der FARC chinesische Waffen liefert, um Kokain dafür einzutauschen? Eine
Geschichte, mit der er die CIA in seinen Krieg gegen die Barreras einspannen
kann? Da macht er es sich ein bisschen zu einfach.
Keller spürt, was Hobbs denkt. Wer zu oft schreit, dem hilft, wenn es
ernst wird, keiner.
»Welche Art von Beweis brauchen Sie?«, fragt er.
»Die Waffenlieferung wäre ganz brauchbar, zum Beispiel.«
Das ist ja mein Dilemma, denkt Keller. Wenn ich die Waffenlieferung
auffliegen lasse, muss ich genau das preisgeben, was ich schützen will. Könnte
ich Hobbs dazu bringen, die Mexikaner zu einem Präventivschlag gegen die
Barreras zu veranlassen, müsste ich Nora nicht in Gefahr bringen. Aber um
diesen Schlag auszulösen, muss ich die Waffenlieferung nachweisen, und die
Einzige, die mir diesen Beweis liefern kann, ist Nora.
Und wenn sie das tut, ist sie so gut wie tot.
»Hören Sie«, sagt er. »Der Hinweis könnte doch von chinesischer Seite
kommen. Abgefangene Funksprüche, Internetbotschaften, Satellitenaufklärung -
sagen Sie doch einfach, Sie haben eine Quelle in Peking.«
»Sie wollen, dass ich wertvolle Quellen in Asien gefährde, um irgendeinen
Drogendealer zu schützen, der für Sie arbeitet? Ich bitte Sie!«
Aber der Gedanke reizt ihn.
Die Zapatistas in Chiapas werden immer aktiver, ihre Reihen werden, wie es
heißt, durch Flüchtlinge aus Guatemala verstärkt, daraus könnte ein
kommunistischer Aufstand entstehen, der die ganze Region erfasst. Im Juni ist
eine linke Gruppierung entstanden, die Revolutionäre Volksarmee - bei einer
Trauerfeier in Guerrero, nachdem Bauern von rechten Milizen erschossen worden
waren. Und vor zwei Wochen erst hat diese sogenannte Armee mehrere
Polizeistationen gleichzeitig überfallen - in Guerrero, Tabasco, Puebla und sogar
Mexico City, sechzehn Beamte getötet und dreiundzwanzig verletzt. Der Vietcong
hat bescheidener angefangen, denkt er. Hobbs hat den mexikanischen Geheimdienstkollegen
Unterstützung angeboten, aber die, voller Misstrauen gegen neoimperialistische
Yankee-Einmischungsversuche, lehnten ab.
Was sehr dumm von ihnen ist, denkt Hobbs, denn schon ein flüchtiger Blick
auf die Landkarte macht deutlich, dass die kommunistischen Unruhen von
Chiapas, befeuert durch die NAFTA und die katastrophalen Folgen der Peso-Krise, nach
Norden ausstrahlen.
Mexiko treibt gefährlich auf eine Revolution zu, und alle wissen es, nur das
mexikanische Außenministerium stellt sich blind. Selbst das Pentagon rechnet
mit einer solchen Möglichkeit - Hobbs hat gerade den streng geheimen Krisenplan
gelesen, der eine US-Invasion vorsieht - für den Fall des totalen Zusammenbruchs
in Mexiko. Ein Castro ist wahrlich genug. Und Comandante Zero als
mexikanischer Präsident? Unvorstellbar! Eine marxistische Diktatur, die direkt
an die USA angrenzt, auf zweitausend Meilen Länge? Und das bei einer
zukünftigen hispanischen Mehrheit in den grenznahen US-Staaten? Aber die Mexikaner
würden Pickel kriegen, wenn sie diesen Krisenplan zu sehen bekämen.
Nein, amerikanische Militärhilfe wird Mexiko nur dann zulassen, wenn sie
sich als Krieg gegen die Drogen tarnt. So ähnlich wie der amerikanische
Kongress, denkt Hobbs. Das Vietnam-Syndrom verhindert, dass auch nur ein Penny
für verdeckte Kriege gegen die Kommunisten lockergemacht wird, aber wenn es
sich um den Drogenhandel dreht, fließt das Geld in Strömen. Also geht man nicht
zum Kongress und sagt, wir brauchen das Geld, um unsere Nachbarn und
Verbündeten vor der marxistischen Bedrohung zu schützen. Nein, man schickt
seine Gewährsleute zur DEA, mit der Begründung, dass sie das Geld brauchen, um
die amerikanische Jugend von Drogen fernzuhalten.
Die fünfundsiebzig Huey-Hubschrauber und das Dutzend C26 -Militärflugzeuge, die vonnöten wären, werden niemals vom Kongress
bewilligt, geschweige denn von Mexiko geduldet, wenn es darum geht, die
Zapatistas und die Revolutionsarmee zu besiegen, aber
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