Winslow, Don
sie zu einem kleinen See.
Callan biegt südwärts auf den
Highway ein, und sie fahren am See entlang, bis sie ein kleines Restaurant
sehen, das direkt am Ufer steht.
Er stellt die Maschine ab, und sie
gehen hinein.
Es ist schön ruhig hier - zwei
Fischer, ein paar Männer, die wie Rancher aussehen und kurz aufblicken, als
Callan und Nora eintreten. Sie nehmen einen Tisch am Fenster mit Blick auf den
See. Callan bestellt Eier mit Schinken und Bratkartoffeln, Nora Tee und
trockenen Toast.
»Iss mal richtig«, rät ihr Callan.
»Ich habe keinen Hunger.«
»Musst du ja wissen.«
Sie rührt nichts an, weder Tee
noch Toast. Als Callan sein Frühstück heruntergeschlungen hat, gehen sie hinaus
und machen einen Spaziergang am Seeufer.
»Was machen wir jetzt?«, fragt
Nora.
»Wir gehen spazieren.«
»Ich meine es ernst.«
»Ich auch.«
Am anderen Ufer stehen Kiefern,
deren Nadeln im böigen Wind aufglänzen, auf dem See bilden sich hier und da
weiße Schaumkronen.
»Sie werden mich suchen«, sagt
Nora.
»Willst du, dass sie dich finden?«
»Nein«, sagt sie. »Vorerst nicht,
jedenfalls.«
»Wenn du mich fragst, will ich
einfach noch ein bisschen leben, verstehst du? Ich weiß nicht, was aus der
ganzen Sache wird, aber ich will noch ein bisschen leben. Wärst du damit
einverstanden?«
»Damit wäre ich sehr einverstanden.«
Aber ein paar Vorkehrungen sind notwendig.
»Das Motorrad müssen wir loswerden«, sagt er. »Das ist zu auffällig.«
Ein paar Meilen weiter südlich
besorgen sie sich ein Auto. Eine alte Farm liegt in einer Senke östlich der
Straße. Ein klassisches Armeleute-Anwesen mit Autowracks und altem Gerumpel
vor der Scheune und ein paar windschiefen Schuppen, die aussehen wie ehemalige
Hühnerställe. Callan biegt auf den Feldweg ab und hält vor der Scheune, in der
ein Mann mit der unvermeidlichen Basecap an einem 68er Mustang schraubt. Er
ist groß und dürr, vielleicht fünfzig Jahre alt, obwohl sich das wegen der
Kappe schwer abschätzen lässt.
Callan beäugt den Mustang. »Was wollen Sie für den?«,
fragt er.
»Nichts«, sagt der Mann. »Weil ich ihn nicht verkaufe.«
»Irgendein anderes?«
Der Mann zeigt auf einen
lindgrünen 85er Grand American, der draußen steht. »Die Beifahrertür geht aber
nur von innen auf.«
Sie gehen hinüber zu dem Auto.
»Der Motor ist in Ordnung?«
»Klar, läuft wie 'ne Eins.«
Callan steigt ein und dreht den Zündschlüssel.
Der Motor springt an wie Schneewittchen nach dem Kuss.
»Wieviel?«, fragt Callan.
»Keine Ahnung. Elfhundert?«
»Papiere?«
»Zulassung, Nummernschilder, alles da.«
Callan geht ans Motorrad, holt
zwanzig Hunderter aus der Seitentasche und überreicht sie dem Mann. »Ein
Tausender für das Auto. Ein Tausender dafür, dass Sie uns nie gesehen haben.«
Der Mann nimmt das Geld. »Sie
können wiederkommen, wenn Sie noch mal wollen, dass ich Sie nie gesehen habe.«
Callan überreicht Nora die Schlüssel. »Fahr mir nach.«
Sie folgt ihm nordwärts auf der 79
bis Julian, dort biegen sie ostwärts auf die 78 ein, die sich in zahllosen
Kurven bis zur Wüste absenkt, sie überqueren eine lange, flache Senke, wo
Callan einen Sandweg entdeckt, der zu einem Canyon führt. Ein paar hundert
Meter vor dem Canyon bleibt er stehen.
»Das müsste reichen«, sagt er, als
sie aus dem Auto steigt, und meint damit, dass sich hier im Sand das Feuer
nicht ausbreitet und dass wahrscheinlich niemand die Rauchwolke bemerken wird.
Er saugt Benzin aus dem Reservetank, schüttet es über der Harley aus.
»Nimm Abschied von ihr«, sagt er zu Nora.
»Mach's gut.«
Er zündet das Streichholz an, und sie schauen dem Feuer
zu. »Ein Wikingerbegräbnis«, sagt sie.
»Nur dass wir nicht mit
verbrennen.« Er setzt sich hinter das Steuer des Auto und öffnet ihr die
Beifahrertür. »Wohin jetzt?«
»Wo es nett und ruhig ist.«
Er überlegt. Wer das
Motorradskelett findet und mit uns in Verbindung bringt, wird vermuten, dass
wir Richtung Osten weitergefahren sind, um ein Flugzeug in Tucson oder Phoenix
oder Las Vegas zu erwischen. Also fährt Callan zurück nach Westen.
»Wohin willst du?«, fragt Nora,
obwohl es ihr eigentlich egal ist, sie fragt nur aus Neugier.
Was ganz gut ist, denn er antwortet: »Keine Ahnung.«
Er weiß es wirklich nicht. Er hat
keinen Plan, kein Ziel, er will nur fahren. Die Landschaft genießen, sich über
Noras Gesellschaft freuen. Sie fahren dieselbe Straße hoch, die sie heruntergekommen
sind, bis zum Städtchen
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