Winslow, Don
gerichtet.
»Sal.«
»Mickey.«
»Ich mache gerade Tee«, sagt
Mickey.
Sal nickt.
Der Kessel pfeift.
Mickey gießt Wasser in die
angeschlagene Tasse und tunkt den Teebeutel ein paarmal ein. Die Zuckerdose
klappert, als er Zucker und Milch nimmt, und seine Hand zittert beim Umrühren.
Er hebt die Tasse zum Mund und
nimmt einen vorsichtigen Schluck.
Dann lächelt er - der Tee ist gut
und heiß - und nickt Scachi zu.
Scachi erledigt ihn schnell und sauber, dann steigt er
über ihn, um ins Schlafzimmer zu gelangen. Sie ist nicht da. Und wo ist Callan?
Seine Harley ist weg. Verdammt.
Callan hat sich die Frau
geschnappt und macht seine Solonummer, denkt Scachi. Und ich darf ihn mal
wieder aufspüren.
Aber erst muss hier Ordnung
gemacht werden.
Nach wenigen Stunden haben seine
Leute ein Meth-Labor im Haus aufgebaut. Sie schleppen die Leiche von Peaches
herein, verspritzen Jodwasserstoff, dann laufen sie bis zum nächsten Abhang und
schießen eine Zündladung durchs Fenster ins Haus.
Die Feuerwehr hat Glück in dieser
Nacht - es ist nicht sehr windig, und die Laborexplosion verbrennt nur drei, vier
Hektar altes Gras und ein wenig Gestrüpp am Berghang. Kann nicht schaden, so
ein Feuer ab und zu.
Beseitigt das alte Gras.
Macht Platz für das neue.
14 Pastorale
Außer der Liebe haben wir nichts, nur sie macht möglich,
dass wir einander helfen.
Eurípides, Orestes
San
Diego County
1998
In aller Frühe stehen sie auf und fahren weiter. »Sie
werden uns suchen«, sagt Callan.
Er meint es ernst, denkt Nora. Als
sie am Abend endlich irgendwo gehalten hatten, war sie ihm mit der Frage auf
den Leib gerückt, was das Ganze überhaupt sollte.
»Sie wollten dich umbringen«,
hatte Callan geantwortet.
Abseits der Straße hatten sie ein
billiges Motel gesucht und ein paar Stunden geschlafen.
Um vier Uhr morgens rüttelt er sie
wach und erklärt ihr, sie müssten weiterfahren. Aber im Bett ist es so schön
warm. Sie zieht sich die Decke über den Kopf. Nur die paar Minuten, solange er
duscht, denkt sie - durch die dünne Pappwand hört sie das Wasser rauschen.
Das Nächste, was sie bemerkt, ist
seine Hand, die schon wieder an ihrer Schulter rüttelt.
»Wir müssen los.«
Sie steht auf, nimmt Jeans und
Pullover vom Stuhl und zieht sie über. »Ich brauche neue Sachen.«
»Besorgen wir.«
Er sieht sie auf dem Bett sitzen
und kann nicht glauben, dass sie tatsächlich bei ihm ist, kann nicht glauben;
was er getan hat, weiß nicht, welche Folgen das hat, und es ist ihm egal. Sie
ist so schön, selbst wenn sie müde und zerknautscht aussieht. Und wenn ihre
Sachen riechen, dann riechen sie nach ihr.
Als sie ihre Schuhe zugeschnürt
hat, blickt sie auf und sieht, dass er sie betrachtet.
Um vier Uhr morgens ist es immer
kalt.
Auch mitten im Sommer, mitten im
Amazonas-Dschungel - wenn man um vier Uhr morgens aufstehen muss, ist es kalt.
Er sieht sie frösteln und gibt ihr seine Lederjacke.
»Und du?«, fragt sie.
»Mir ist warm.«
Sie nimmt die Jacke, und weil sie
zu groß ist, wickelt sie die Ärmel um sich. Das fühlt sich schön warm an und
ein bisschen so, als würde er die Arme um sie legen, wie in der Nacht. Männer
haben ihr Brillanthalsbänder geschenkt, Kleider von Versace, Pelze. Aber nichts
davon fühlte sich so gut an wie diese Jacke. Sie steigt hinter ihm auf und muss
die Ärmel hochstreifen, damit sie sich an ihm festhalten kann.
Es geht ostwärts, auf der
Interstate 8.
Auf der Straße sind fast nur Lastwagen
unterwegs, ab und zu ein alter Pickup mit mexikanischen Landarbeitern, die auf
den Farmen bei Brawley arbeiten wollen. Callan fährt immer geradeaus, bis er
zu einem Abzweig kommt, der zum »Sunrise Highway« führt. Klingt passend, denkt
er und biegt ab nach Norden. Die Straße windet sich in Serpentinen am steilen
Südhang des Mount Laguna hoch,
vorbei am Städtchen Descanso, dann verläuft
sie weiter auf dem Bergkamm, links dichter Kiefernwald, rechts und über hundert
Meter tiefer die Wüste.
Und der Sonnenaufgang ist
spektakulär.
Sie halten an einem Rastplatz und
sehen, wie die Sonne über der Wüste aufsteigt und dabei die Farben wechselt,
von Rot zu Orange, dann das ganze Spektrum der Wüstenfarben durchläuft -
bräunlich, beige, staubfarben, sandfarben. Danach fahren sie wieder ein Stück,
immer die Höhenstraße entlang, während der Wald allmählich in niedriges
Gestrüpp und dann in Grasland übergeht. Und kurz vor der Einmündung in den
Highway 79 kommen
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