Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Winslow, Don

Winslow, Don

Titel: Winslow, Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tage der Toten
Vom Netzwerk:
machen.
    Das erklärt auch, warum Talavera so in Panik ist. Er weiß, dass Miguel
Angel Barrera das Herrenrecht des ländlichen Sinaloa für sich beansprucht, wo
die jungen Mädchen, meist Kinder noch, in aller Regel von den dominierenden Gomeros entjungfert
werden.
    Und das ist die Sorge der Eltern. Dass dieser mächtige patrón, der selbstverständlich verheiratet ist, ihre
kostbare, hübsche, unberührte Tochter zu seiner segundera macht, seiner Geliebten. Dass er sie benutzt und
wegwirft, ihren Ruf zerstört und damit alle Aussichten auf eine gute Partie.
    Und es gibt absolut nichts, was sie dagegen tun können.
    Tío wird das
Mädchen nicht vergewaltigen, sagt sich Keller. Er wird sie nicht mit Gewalt
entführen. Das könnte er sich in den Bergen von Sinaloa leisten, nicht hier.
Doch wenn ihm das Mädchen freiwillig folgt, sind die Eltern machtlos. Und
welches fünfzehnjährige Mädchen ist schon dagegen gefeit, dass ihr ein reicher
und mächtiger Mann den Kopf verdreht? Dieses Kind ist sicher nicht dumm - sie
weiß, dass es mit Blumen und Süßigkeiten beginnt, aber dass ihr auch Schmuck
und teure Kleider winken, traumhafte Reisen und mehr. Sie steht am Anfang eines
Regenbogens, ohne zu bedenken, dass er sich am Ende wieder neigt. Dass Schmuck
und Kleider eines Tages von Blumen und Süßigkeiten abgelöst werden und dann
auch die ausbleiben werden.
    Während Tío das Mädchen hofiert, legt Keller ein paar Pesos auf den Tisch, steht
unauffällig auf und geht zur Kasse.
    Für dich, Tío, ist sie ein exotischer Leckerbissen, denkt Keller. Für mich so etwas wie
ein Trojanisches Pferd.
     
    Am Abend, es ist schon neun, steigt Keller in seine Jeans, zieht einen
Pullover über und geht ins Badezimmer, wo Althea duscht. »Du, ich muss noch mal
los.«
    »Jetzt?«
    »Ja.«
    Sie ist klug genug, keine Fragen zu stellen - als Ehefrau eines
Polizisten, der seit acht Jahren für die DEA arbeitet, weiß sie, woran sie ist. Aber das Wissen
schützt nicht vor der Angst. Sie öffnet die Schiebetür und küsst ihn zum
Abschied. »Ich brauche nicht auf dich zu warten, wie es aussieht.«
    »Das siehst du richtig.«
    Was hast du vor?, fragt er sich auf der Fahrt in die Vorstadt, zum
Wohnhaus der Talaveras.
    Nichts. Ich schwöre, dass ich nicht trinken werde.
    Er findet die Adresse und parkt ein Stück weiter auf der anderen
Straßenseite. Es ist ein stilles Viertel, solide Mittelklasse, die
Straßenbeleuchtung sorgt für Sicherheit, ohne aufdringlich zu wirken.
    Er sitzt in seinem dunklen Winkel und wartet.
    Diese Nacht und auch die nächsten drei.
    Jede Nacht, wenn die Talaveras von der Arbeit nach Hause kommen, sitzt er
schon da. Er sieht, wie im oberen Stockwerk ein Licht angeht und nach einer
Weile, wenn Pilar ins Bett gegangen ist, verlischt. Keller wartet noch eine
halbe Stunde, dann fährt er nach Hause.
    Vielleicht liegst du falsch, sagt er sich.
    Nein, liegst du nicht. Tío nimmt sich, was er will.
    In der vierten Nacht, Keller will sich gerade davonmachen, kommt ein Mercedes,
schaltet den Scheinwerfer aus und hält vor dem Haus der Talaveras.
    Sehr galant, denkt Keller, Tío schickt ihr einen Wagen mit Chauffeur. Bloß kein
Taxi für dieses minderjährige Hürchen. Keller ist fast gerührt, als Pilar aus
der Haustür schlüpft und hinten in den Wagen steigt.
    Er lässt dem Mercedes reichlich Vorsprung, dann folgt er ihm.
    Der Mercedes hält vor einem Reihenhaus, gelegen auf einem Hügel der
westlichen Vorstadt. Ein nettes, stilles Viertel, ziemlich neu, viele kleine
Häuschen, umgeben von den hier üblichen Jacaranden. Die Adresse ist Keller neu,
sie gehört nicht zu den Immobilien, die er als Tíos Besitz
ausgemacht hat. Wie nett, denkt er. Ein brandneues Liebesnest für eine
brandneue Affäre.
    Tíos Auto steht
schon da. Der Chauffeur steigt aus und hält Pilar die Wagentür auf. Tío empfängt sie an
der Tür und führt sie hinein. Bevor sich die Tür schließt, liegen sie sich
schon in den Armen.
    Heiliger Bimbam, denkt Keller. Wenn ich eine Fünfzehnjährige vögeln
wollte, würde ich wenigstens die Vorhänge zumachen.
    Aber du denkst, du bist hier sicher, nicht wahr, Tío?
    Der gefährlichste Ort der Welt ist der ... ... wo du dich sicher glaubst.
     
    Am nächsten Vormittag fährt Keller gleich wieder zur Casa del Amor (so
hat er das Reihenhaus getauft), denn er weiß, dass Tío jetzt im Büro
ist und Pilar in der - ähemm! - Schule. Er hat seinen Overall übergezogen und eine Astschere mitgebracht.
Er schneidet

Weitere Kostenlose Bücher