Winslow, Don
behaupten kann. Ihm wird
eher übel dabei.
Du warst ein böses, böses Mädchen.
Wirklich?
]a. Und deshalb muss ich dich
bestrafen.
Das ist nun mal die Crux der Abhörerei - man erfährt unendlich viel, nur
das nicht, was man wissen wollte.
Doch ab und zu findet sich ein Diamant im Misthaufen.
Eines Nachts legt Keller zu Hause die Kassette ein, macht es sich bei
einem Scotch gemütlich und spult sich durch das widerwärtige Gewäsch, als er
plötzlich hört, wie Tío die Lieferung von »dreihundert Brautkleidern« an eine Adresse in Chula Vista bestätigt. Chula Vista liegt in
Kalifornien, auf halbem Wege zwischen Tijuana und San Diego.
jetzt hast du deinen Treffer, denkt Keller. Aber was fängst du damit an?
Die Vorschriften verlangen, dass du deine mexikanischen Kollegen informierst,
gleichzeitig das DEA-Büro in Mexico City, das die Meldung an das Büro in San
Diego weiterleitet. Wenn ich die Sache aber an meine mexikanischen Kollegen melde,
weiß Tío sofort Bescheid, und wenn ich sie an Tim Taylor melde, wird er nur die
offizielle Version wiederkäuen, dass es in Mexiko keine »Brautkleider« gibt.
Und er wird mich nach meiner Quelle fragen.
Die ich ihm nicht verraten kann.
Sie sprechen die Sache beim Joggen durch.
»Jetzt sind wir angeschmiert«, meint Ernie.
»Nein, sind wir nicht«, antwortet Keller.
Es wird Zeit für den nächsten Schritt - den nächsten Schritt in Richtung
Abgrund.
Nach dem Lunch geht er hinaus zur Telefonzelle. In den Staaten, denkt er,
sind es die Ganoven, die zur Telefonzelle gehen, um nicht angezapft zu werden,
hier sind es die Polizisten.
Er ruft einen Bekannten beim Drogendezernat von San Diego an. Er heißt
Russ Dantzler, und sie kennen sich von einer DEA-Konferenz, die ein paar Monate
zurückliegt. Kam ihm vernünftig vor, der Mann. Ein Macher.
Genau, so einen brauche ich jetzt. Einen Macher.
Einen, der die Puppen tanzen lässt.
»Russ? Hier Art Keller, DEA. Wir haben ein paar Bier zusammen getrunken, wann
war das, im Juli?«
Dantzler erinnert sich. »Was gibt's, Art?«
Keller erzählt ihm von den Brautkleidern.
»Das könnte eine Fehlanzeige sein«, sagt er, »aber ich glaube nicht.
Vielleicht sollte man dem nachgehen.«
Ja, zum Teufel, das sollte man. Und keiner kann einen daran hindern. Nicht
der Justizminister der Vereinigten Staaten, nicht das Außenministerium, erst
recht nicht die Regierung. Die von der Bundespolizei werden sich über die
Polizei von San Diego ereifern, und die Polizei von San Diego wird ihnen sagen,
sie können sich selber ficken, aber mit einem recht kantigen Gegenstand.
Unter angemessener Berücksichtigung der Polizeietikette fragt Dantzler:
»Was erwartest du nun von mir?«
»Dass du mich heraushältst, aber mit Infos versorgst. Du ver gisst, dass ich
dir den Tip gegeben habe, aber nicht, mich immer zu informieren.«
»Abgemacht«, sagt Dantzler. »Aber ich brauche einen belastbaren Zeugen.
Das nur für den Fall, dass du vergessen hast, wie es in einer Demokratie läuft,
die die Bürgerrechte schützt.«
»Ich habe einen VI«, lügt Keller.
»Alles klar.«
Mehr muss nicht gesagt werden. Dantzler gibt die Info an einen seiner
Männer, der sie einem seiner Vis weitererzählt, der sie dann brühwarm an
Dantzler berichtet, der damit zum Haftrichter geht - und schon wird die Sache
plausibel.
Am nächsten Tag ruft Dantzler zur verabredeten Zeit in der Telefonzelle
an. »Dreihundert Pfund Kokain!«, krächzt es aus dem Hörer. »Ein Marktwert von
sechs Millionen Dollar! Das ist dein Verdienst, Keller!«
»Vergiss, dass du den Tip von mir hast«, sagt Keller. »Aber nicht, dass
ich was bei dir guthabe.«
Zwei Wochen später hat er auch was bei der Polizei von El Paso gut, weil
sie einen Lkw-Anhänger mit Kokain beschlagnahmt haben. Wieder einen Monat
später meldet sich Keller bei Russ Dantzler und gibt ihm einen weiteren Hinweis
- auf ein Haus in Lemon Grove.
Die anschließende Razzia bringt die magere Ausbeute von fünfzig Pfund
Kokain.
Plus vier Millionen Dollar in Scheinen, drei Geldzählmaschinen und
bergeweise interessante Beweismittel wie zum Beispiel Kontoauszüge. Die
Kontoauszüge sind so interessant, dass der Bundesrichter, bei dem Dantzler sie
abliefert, sofort weitere fünfzehn Millionen Dollar einfriert, die unter
verschiedenen Namen bei fünf Banken in San Diego County deponiert sind. Obwohl
keins dieser Konten auf Miguel Ángel Barrera lautet, gehört jeder Penny entweder ihm
oder seinen Kartellmitgliedern,
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